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Wassermelone: Roman (German Edition)

Wassermelone: Roman (German Edition)

Titel: Wassermelone: Roman (German Edition)
Autoren: Marian Keyes
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Vorwort
    D er 15. Februar ist für mich ein ganz besonderer Tag. An diesem Tag habe ich nicht nur mein erstes Kind zur Welt gebracht, es ist auch der Tag, an dem mich mein Mann verlassen hat. Da er bei der Geburt dabei war, nehme ich an, dass zwischen den beiden Ereignissen irgendein Zusammenhang besteht.
    Ich wusste gleich: Ich hätte mich auf mein Gefühl verlassen sollen. Ich war eine Anhängerin der klassischen – man könnte auch sagen, der überlieferten – Rolle, die bei der Geburt eines Kindes für Väter vorgesehen ist. Auf keinen Fall haben sie Zutritt zum Kreißsaal. Man verbanne sie mit vierzig Zigaretten und einem Feuerzeug auf den Krankenhausflur und lasse sie dort auf und ab marschieren, das heißt, wenn sie an dessen Ende angekommen sind, sollen sie sich umdrehen und an ihren Ausgangspunkt zurückkehren. Bei Bedarf ist das Ganze zu wiederholen.
    Alle Unterhaltungen sind knapp zu halten. Lediglich mit anderen künftigen Vätern, die neben ihnen auf und ab gehen, dürfen sie einige Worte wechseln.
    »Mein erstes« (schiefes Lächeln).
    »Glückwunsch … mein drittes« (trübseliges Lächeln).
    »Gut gemacht« (gezwungenes Lächeln). Will er damit durchblicken lassen, dass er männlicher ist als ich?
    In dieser Zeit liegen die Gefühle ziemlich blank.
    Von mir aus kann man es den Männern auch erlauben, sich auf jeden Arzt zu stürzen, der erschöpft und bis zu den Ellbogen voll Blut aus dem Kreißsaal kommt, und ihm zuzukeuchen: »Gibt’s was Neues???« Darauf könnte der Arzt antworten: »Großer Gott, Mann, nein! Der Muttermund ist ja erst drei Zentimeter weit geöffnet.« Daraufhin wird der Mann wissend nicken, obwohl er lediglich begriffen hat, dass er noch eine ganze Weile wird auf und ab gehen müssen.
    Er darf auch gequält das Gesicht verziehen, wenn er von drinnen die Schmerzenslaute seines geliebten Weibes hört. Erst nachdem alles vorbei ist, wenn Mutter und Kind frisch gewaschen sind und die Mutter erschöpft, aber glücklich in einem sauberen Nachthemd auf dem spitzenbesetzten Kissen ruht und das vollkommene Kind an ihrer Brust nuckelt, erst dann dürfte man den Vater einlassen.
    Aber nein, ich hatte dem Druck anderer Frauen nachgegeben und mich überreden lassen, den neumodischen Kram mitzumachen – war allerdings von Anfang an voller Zweifel gewesen. Schließlich sähe ich es ja auch nicht gern, wenn irgendwelche Freunde und Verwandte dabei wären, während man mir – beispielsweise – den Blinddarm herausnimmt. Erniedrigend! In einem solchen Fall ist man grundsätzlich im Nachteil. All diese fremden Leute bekommen Stellen des eigenen Körpers zu sehen, die man selbst nicht mal im Spiegel gesehen hat. Ebensowenig wie ich das Aussehen meines Dickdarms kannte, wusste ich, wie mein Gebärmutterhals aussah, und ich wollte es auch nicht wissen. Aber das halbe Personal im Sankt-Michaels-Krankenhaus wusste es.
    Ich fand mich im Nachteil und hatte den Eindruck, dass ich irgendwie zu kurz kam. Ich sah einfach nicht sehr vorteilhaft aus. Wie gesagt, eine erniedrigende Angelegenheit.
    Ich hatte im Fernsehen genug äußerst männlich wirkende Fernfahrer gesehen, die eine Träne im Auge zerdrückten, kaum ein Wort herausbrachten und mit belegter Stimme zu erklären versuchten, was für Emo… Emoti… Gefühle sie dabei hatten, als sie der Geburt ihres Kindes beiwohnten. Auch hatte ich Geschichten von biertrinkenden schottischen Rugbyspielern gehört, die die ganze Mannschaft eingeladen hatten, sich das Video von der Geburt ihres Kindes anzusehen. Da fragt man sich doch nach den Motiven.
    Jedenfalls hatten James und ich uns in die Sache hineingesteigert und beschlossen, dass er dabei sein sollte.
    Das ist die Vorgeschichte, jetzt wissen Sie, wie es kam, dass er bei der Geburt dabei war. Die Geschichte, warum und wie er mich verließ, ist ein bisschen länger.

1
    E s tut mir leid, vermutlich halten Sie mich jetzt für sehr unhöflich. Kaum sind wir einander vorgestellt, und schon schildere ich Ihnen all das Entsetzliche, was mir widerfahren ist.
    Ich will jetzt ganz schnell das Wichtigste über mich sagen und Einzelheiten, wie beispielsweise meinen ersten Schultag, auf später verschieben, vorausgesetzt, uns bleibt Zeit dafür.
    Mal sehen. Was müssen Sie wissen? Nun, ich heiße Claire, bin neunundzwanzig und habe, wie bereits erwähnt, vor zwei Tagen mein erstes Kind zur Welt gebracht (ein Mädchen, 3 290 Gramm, wunderschön). Mein Mann (habe ich schon gesagt, dass er James heißt?) hat mir
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