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Einstein - Einblicke in Seine Gedankenwelt

Einstein - Einblicke in Seine Gedankenwelt

Titel: Einstein - Einblicke in Seine Gedankenwelt
Autoren: Alexander Moszkowski
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Abwesenheit der Methodik, deren Gegenwart man mit Recht von einem Lehrbuch verlangt, soll diese Gespräche befähigen, einen Teil des Genusses, die sie mir selbst verschafften, in die Welt hinauszutragen. Vielleicht gelingt es ihnen sogar, ein Abbild des Gelehrten vor den Leser hinzustellen, in dem er seine Wesenheit erkennt, ohne daß ihm zu dieser Erkenntnis ein mühseliges Studium zugemutet wird. Schon hier möchte ich es aussprechen, daß die Wesenheit Einsteins in ihrer geistigen Tragweite sehr viel weiter reicht, als mancher vermuten dürfte, der sich nur mit seiner eigentlichen physikalischen Lehre beschäftigt hat. Sie dringt in alle Höhen und Tiefen und entschleiert unter gewissem Anlaß wunderbare kosmische Züge. Gewiß, diese Züge stecken auch unter der schwer aufzulockernden mathematischen Kruste seiner Physik, denn deren Feld ist die Welt. Aber erst eine ferne Zukunft wird zu entwickeln vermögen, daß eigentlich alles Geistige überhaupt darauf wartet, in die Beleuchtung seiner Lehre gerückt zu werden.
    Einsteins Sendung ist die eines Königs, der weitschichtige Bauten ausführt; da bekommen die Kärrner zu tun, jeder in seiner Linie, auf viele Jahrzehnte hinaus. Aber abseits der Zunftarbeit mag Raum sein für eine unzünftige Darstellung, die in aller Programmlosigkeit nur das eine Programm verfolgt: in leichtfaßlicher und abwechslungsreicher Form Einsteiniana zu bieten; ihn gleichsam darzustellen, wie er über Wiesen dahinschreitet und Problemblüten pflückt. Wenn er mir den Vorzug einräumte, ihn auf solcher Wanderung zu begleiten, so durfte ich nicht noch obendrein verlangen, daß er sich nach einer vorbestimmten Wegekarte richtete. Oft genug verschwand das Ziel, und die absichtliche Lust an der Bewegung blieb allein im Bewußtsein. Von einem Spaziergänger, sagt Schopenhauer, läßt sich niemals behaupten, er mache Umwege; und das gilt unabhängig von der Beschaffenheit des Geländes, das gerade durchstreift wird. Wenn ich soeben von Wiesenhängen sprach, so ist auch dies nicht wörtlich zu verstehen. In Einsteins Gesellschaft gerät man von Minute zu Minute, urplötzlich, in ein Wanderungs-Abenteuer, das irgend welchen Vergleich mit idyllischen Erlebnissen nicht mehrzuläßt. Schroffe Abgründe tun sich auf, und an halsgefährlichen Hängen muß man dahin. Aber dann gerade öffnen sich überraschende Ausblicke, und mancher Landschaftsstreifen, der nach gewöhnlichem Maß in der Hochregion zu liegen schien, versinkt in die Tiefe. Ihr kennt die Wanderer-Fantasie von Schubert; sie ist in der tonbegrifflichen Anlage ganz gegenständlich real, der Wirklichkeit nachgeschaffen, und doch im Ausdruck transzendent; so ist eine Wanderung mit Einstein: sein Boden bleibt die Wirklichkeit, aber die Fernsichten, die er öffnet, ragen ins Transzendente. Im letzten Grunde genommen erscheint er mir ebenso als Künstler wie als Forscher, und wenn eine Ahnung dieser geheiligten Synthese aus dem Buche sich weiterverbreiten könnte, so wäre hierdurch allein die Herausgabe der Gespräche gerechtfertigt.
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    Es könnte einer auf den Gedanken verfallen, eine Parallele mit dem Buche von Eckermann herauswittern zu wollen. Ich könnte es nicht verhindern, daß ein Leser die Wortbrücke betritt, um von den Gesprächen mit Einstein, die hier zugrunde gelegt werden, zu den Gesprächen mit Goethe zu gelangen. Und in gewisser Hinsicht dürfte ich mir ja auch den Vergleich gefallen lassen. Vor allem deswegen, weil es denkbar wäre, daß ich hier durch Anlehnung an einen Elementaren auf die Nachwelt gelangen könnte, wie vordem Eckermann, oder, um noch einen anderen Vergleich heranzuziehen, wie die Fliege im Bernstein. Aber Goethe und Einstein liegen in gänzlich verschiedenen Betrachtungsebenen und sie sind, allgemein gewertet, inkommensurabel. Und schon deshalb wäre es verfehlt, wegen der Wortähnlichkeit eine wesentliche Ähnlichkeit in der Sache zu erwarten. Allein, es liegt mir ob, einer derartigen Vermutung zuvorzukommen und darauf hinzuweisen, daß hier nicht im entferntesten daran gedacht wird, die sprechenden Persönlichkeiten oder die behandelten Themen in Parallele zu setzen. Davon abgesehen, werden sich auch im Plan und in der Sachgestaltung der Schriften die größten Verschiedenheiten zeigen.
    Vorerst standen dem Eckermann volle neun Jahre eines fast unausgesetzten Verkehrs zur Verfügung, und damit eine Summe des Unterhaltungsstoffes, die selbst in äußerstem Auszuge für mehrere Bände ausgereicht
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