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Einstein - Einblicke in Seine Gedankenwelt

Einstein - Einblicke in Seine Gedankenwelt

Titel: Einstein - Einblicke in Seine Gedankenwelt
Autoren: Alexander Moszkowski
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Grundanschauungen über die Weltenmechanik an sich etwas Verborgenes, noch Unerforschtes obwalten. Der vordem ungesehene Neptun brachte, als er auftauchte, die Bestätigung der alten Regel. Der sichtbare Merkur lehnte sich dagegen auf.
    Poincaré hatte 1910 die peinliche Frage berührt, schon mit dem Hinweis darauf, daß hier eine Prüfung der neuen Mechanik vorläge. Die Vermutung mancher Astronomen, daß hier ein neues Leverrier-Problem vorhanden sei, daß ein noch unentdeckter, bahnstörender Planet in noch größerer Sonnennähe existieren müsse, wies er ab; ebenso die Annahme, daß etwa ein Ring um die Sonne gelagerter kosmischer Materie die Störung verursachen könnte. Poincaré ahnte wohl, daß die neue Mechanik den Schlüssel zum Rätsel bieten könnte, allein er kleidete diese Ahnung, vomoffensichtlichen Gewissenskonflikt bedrängt, in sehr vorsichtige Worte. Er sagte damals, daß noch eine besondere Ursache zur Erklärung der Merkur-Anomalie gefunden werden müßte; bis dahin dürfe man nur sagen, daß die neue Lehre »nicht gerade im Widerspruch« mit den astronomischen Tatsachen stünde.
    Aber die Erkenntnis war auf dem Marsche. Fünf Jahre später, am 18. November von 1915 legte Albert Einstein der Preußischen Akademie der Wissenschaften einen Bericht vor, der das in Sekunden so unmerkliche, in seinem inneren Wesen so ungeheure Rätsel auflöste. Er wies nach, daß bis auf die Sekunde genau das Problem sich entschleiert, wenn die von ihm begründete Allgemeine Relativitätstheorie als das allein gültige Fundament allen kosmischen Bewegungserscheinungen zugrunde gelegt wird.
    Hier nun dürfte mancher entgegenrufen: man erkläre mir leicht-faßlich das Wesen der Relativitätslehre! Ja, mancher geht in seinem Begehren noch weiter und wünscht die bequeme Darlegung in wenigen knappen Sätzen. Was nach Schwierigkeit und Möglichkeit gemessen, ungefähr wie der Wunsch wäre, den Inhalt der Weltgeschichte aus einigen Quartseiten Manuskript oder aus einem Feuilleton zu erfahren. Aber selbst, wenn man sehr weit ausholt und reiches Darstellungsmaterial aufwendet, wird man die Vorstellung der spielenden Leichtfaßlichkeit aufzugeben haben. Denn diese Lehre, wie sie den Zusammenhang des Mathematischen mit den physikalischen Geschehnissen erweist, fußt im Mathematischen und findet hinsichtlich ihrer Darstellbarkeit hierin ihre Grenze. Wer es unternimmt, sie bequem faßlich, also gänzlich unmathematisch und dabei doch vollständig zu entwickeln, der begibt sich in ein undurchführbares Wagnis; etwa wie einer, der die Keplerschen Gesetze auf der Flöte vorblasen, oder Kants Kritik der reinen Vernunft durch farbige Illustrationen erläutern wollte. Um es einmal ganz offenherzig zu bekennen: es kann sich bei allen nach der Richtung der Allgemeinverständlichkeit unternommenen Versuchen immer nur um lose Andeutungen handeln, diesseits der mathematischen Grenze. Aber auch in solchen Hinweisen liegt Ersprießliches, wenn es gelingt, die Aufmerksamkeit des Lesers oder Hörers so einzustellen, daß sich ihm die Zusammenhänge, sozusagen die Haupt-Leitmotive der Lehre wenigstens ahnungsweise erschließen.
    Es muß also genügen, wenn hier wie an andern Stellen dieser Schrift der Begriff der Annäherung in den Vordergrund gerückt wird. Allen astronomischen Bewahrheitungen wurden bis in dieneueste Zeit die Newtonschen Bewegungsgleichungen zugrunde gelegt. Das sind in Formeln gefaßte symbolische Darstellungen, die das im Kerne überaus einfache Gesetz der Massenanziehung umschließen. Sie enthalten das durchgreifende Prinzip, daß die Anziehung proportional zur Masse erfolgt und umgekehrt proportional zum Quadrat der Entfernung; so daß also die bewegende Kraft bei zweifacher Masse sich verdoppelt, während sie sich bei doppelter Entfernung auf den vierten Teil, bei dreifacher Entfernung auf den neunten Teil usf. vermindert.
    Nach der Relativitätstheorie ist dies fundamentale Gesetz nicht etwa falsch und ungültig, aber bis in die äußerste Konsequenz verfolgt, nicht mehr lückenlos gültig. Bei seiner Korrektur treten neue Faktoren auf, so das Verhältnis vorhandener Geschwindigkeiten zur Lichtgeschwindigkeit und die veränderte mit »Weltlinien« operierende Geometrie im Raume, der mit Einschluß der Zeitdimension als ein vierfach ausgedehntes Kontinuum aufgefaßt wird. Einstein hat nun tatsächlich jene Grundgleichungen für die Massenbewegung so vervollständigt, daß die Urform, dagegen gehalten, die Wahrheit nur
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