Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Einstein - Einblicke in Seine Gedankenwelt

Einstein - Einblicke in Seine Gedankenwelt

Titel: Einstein - Einblicke in Seine Gedankenwelt
Autoren: Alexander Moszkowski
Vom Netzwerk:
in Annäherung ausspricht, während die Einsteinschen Gleichungen die Bewegung in höchster Genauigkeit ausdrücken.
    Die vorgenannte Einsteinsche Abhandlung verfährt so, als müsse dem von Newton hinterlassenen Instrument die äußerste, allerfeinste Spitze angeschliffen werden. Für den Mathematiker wird diese Spitze durch eine Kombination von Zeichen erzielt, die sich hier als ein sogenanntes »Elliptisches Integral« darstellt. Solch ein Integral ist ein höchst unheimliches Gebilde, und der Mann, der es dem Allerweltsverständnis nahe bringt, soll noch geboren werden. Wenn Lord Byron sagte: »Gelehrter, du erklärst uns die Philosophie, – doch die Erklärung, wer erklärt uns die?«, so stand er immer noch auf dem gesicherten Boden der Begreiflichkeit, relativ zum Nichtmathematiker, der ein solches Gebilde erklärt haben will. Und welcher Komplex mathematischer Gefährlichkeiten muß schon überstanden werden, bevor sich erst die Frage nach jenem Integral herauskristallisiert!
    Aber nun stand es da und war der Ausrechnung, wiederum in Annäherung, zugänglich. Bevor wir das Resultat nennen, sei wenigstens ein einziger Fachausdruck umschrieben: Man versteht unter »Perihel« denjenigen Punkt einer Planetenbahn, welcher der Sonne am nächsten liegt. Diese Bahn ist ein Ellipse, d. h. eine längliche krumme Linie, in der man, der Länglichkeit entsprechend eine große und die auf ihrem Mittelpunkt senkrecht stehendekleine Achse unterscheidet. Sonach bildet in der Planetenbahn das Perihel den einen Endpunkt der großen Achse.
    Dieser Perihelpunkt verändert seine Lage im Raume, er ist im Sinne der Bahnbewegung im Vorschreiten begriffen, und man hätte voraussetzen dürfen, daß das Maß des astronomisch beobachteten Vorrückens mit der aus Newtons Theorie hervorgehenden Rechnung übereinstimmen würde. Das war eben nicht der Fall, es verblieb ein unerklärter Rest, den die Astronomen auf 45 (Bogen-)Sekunden in 100 Jahren feststellten; mit einer möglichen Schwankung von plus oder minus 5 Sekunden. Lag also das neue Ergebnis zwischen 40 und 50 Sekunden, so war damit die neue Theorie ab sofort die fortan alleingültige erwiesen.
    Und es kam genau so, wie Einstein vorausgesehen: die Rechnung liefert für den Planeten Merkur ein Vorschreiten des Perihels um 43 Sekunden für 100 Jahre, was eine volle Übereinstimmung bedeutet und jene Unerklärlichkeit vollständig zum Verschwinden bringt. Hatte Leverrier seiner Zeit einen neuen Planeten aufgezeigt, so machte Einstein das weit Bedeutungsvollere sichtbar: eine neue Wahrheit.
    Es war eine Genauigkeitsprobe, so glänzend, daß sie allein genügt hätte, um die Richtigkeit der Einsteinschen Prinzipe zu erweisen. Allein noch folgenschwerer und durchgreifender erschien eine zweite Probe, die erst mehrere Jahre später angestellt werden konnte und die sich zu einem Weltereignis ersten Ranges gestaltete.
    Einstein hatte nämlich zur selben Zeit, als er das Merkurproblem löste, in seine grundstürzenden und grundlegenden Untersuchungen den Gang der Lichtstrahlen einbezogen und war zu der Aussage gelangt, daß jeder Strahl unter dem Einfluß eines Gravitationsfeldes, also z. B. in der Nähe der Sonne, eine Krümmung erleiden müsse. Für diese abenteuerlich klingende Behauptung eröffnete sich die Möglichkeit eines praktischen Beweises durch die totale Sonnenfinsternis vom 29. Mai 1919. Denn bei einer Verdunkelung der Sonnenscheibe werden die zunächst gelegenen Fixsterne (sogar schon für das unbewaffnete Auge) sichtbar. Sie können photographiert werden, und aus den Abständen der Lichtpünktchen im Photogramm läßt sich herauslesen, ob die am Schwerkörper der Sonne vorbeistreichenden Sternstrahlen wirklich die von Einstein angesagte Abbeugung durchgemacht haben.
    Abermals stieß sich das landläufige Denken an eine harte Kante, und der »gesunde Menschenverstand«, der sich selbst sein Gesundheitsattest ausstellt, wollte rebellisch werden. Wiedenn? Ein Sternstrahl sollte krumm werden können? Widerstrebt das nicht dem Elementarbegriff der geraden, der kürzesten Linie, für die wir ja keine anschaulichere Vorstellung besitzen, als eben den Strahl? Hat doch Leonardo da Vinci die Gerade direkt so definiert, so benannt, als die »linea radiosa«.
    Aber für derlei vermeintliche Selbstverständlichkeiten ist in der Raumzeitwelt kein Platz mehr. Und hier galt es, ein angesagtes physikalisches Abenteuer zu prüfen. Fand die Strahl-Abbiegung wirklich statt, so mußte sich dies
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher