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Einstein - Einblicke in Seine Gedankenwelt

Einstein - Einblicke in Seine Gedankenwelt

Titel: Einstein - Einblicke in Seine Gedankenwelt
Autoren: Alexander Moszkowski
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Vortrag und durch einen Physiker meines Freundeskreises* geschärft, eilte den Ereignissen voraus und sah Einsteins Stern schon hoch zu seinen Häupten; obschon ich damals noch gar nicht wußte, daß Poincaré inzwischen seine Zweifel längst überwunden und die nachhaltige Bedeutung der Einsteinschen Forschungen voll anerkannt hatte. Mir war es instinktmäßig klar: ich saß neben Galilei. Und alles, was die Folgezeit aus der Mitwelt an rauschenden Fanfaren löste, war nur die reichere Instrumentierung der Schicksalsklänge, die ich seit Jahren unablässig gehört hatte.
    * Dr. Fritz Reiche , seither Dozent der Universität, hatte mir zum Studium der Fachschriften von und über Einstein wiederholt seine wertvolle Hilfe geliehen.
    Eine Episode ist mir in Erinnerung. Einer der Teilnehmer, eifriger Literaturfreund, aber gänzlich ahnungslos in Naturkunde, hatte zufällig etliche gelehrte Notizen gesehen, die an Einsteins Berichte in der Akademie anknüpften und diese Ausschnitte in seiner Brieftasche verwahrt. Jetzt hielt er den Aufklärungsmoment für gekommen. Mit einer kurzen persönlichen Anfrage mußte man sich doch über diese verzwickten Dinge orientieren können. Also, bitte, Herr Professor, was bedeutet Potential, invariant, kontravariant, Energietensor, Skalar, Relativitätspostulat, hypereuklidisch und Inertialsystem?? Können Sie mir das ganz kurz erklären? – Gewiß, sagte Einstein: »das sind Fachausdrücke!« Damit war dieser Kursus beendet.
    Bis tief in die Nacht verweilten wir noch zu dreien in einem Kaffeehaus, und Einstein begann vor meinem journalistischen Freunde und mir einige Schleier seiner neuesten Entdeckung sanft zu lüften. Wir entnahmen aus seinen Andeutungen, daß die »Spezielle Relativitätstheorie« das Präludium zur Allgemeinen darstellt, welche das Gravitationsproblem in weitestem Sinne und damit die physikalische Konstitution der Welt umfaßt. Mich interessierte neben diesem, wie natürlich nur oberflächlich gestreiften thema probandum etwas Persönlich-Psychologisches. Herr Professor, sagte ich, derartige Untersuchungen müssen doch wohl mit enormen inneren Aufregungen verknüpft sein. Ich stelle mir vor, daß hinter jeder Problemlösung immer wieder ein neues Problem droht oder lockt, das doch jedesmal in der Seele des Erforschers einen Tumult erregen muß. Wie sind Sie imstande, dessen Herr zu werden? Werden Sie nicht ständig von Beunruhigungen heimgesucht, die in Ihre Träume hineintoben? Können Sie denn überhaupt einmal richtig schlafen?
    Schon der Ton, in dem die Antwort gegeben wurde, zeigte deutlich, daß er sich von den Nervositäten frei fühlte, die sonst auch den geringeren Geistesarbeiter bedrängen. Und es ist wohl ein Glück, daß diese Zustände nicht bis in sein hohes Niveau hineinreichen: Ich unterbreche, wann ich will, sagte er, und komme zur Schlafenszeit von aller Schwierigkeit los. Eine denkerische Traumarbeit, etwa vergleichbar der künstlerischen, die beim Dichter und Komponisten den Tag in die Nacht hineinspinnt, liegt mir fern. Allerdings muß ich erwähnen, daß ich in der allerersten Zeit, als die spezielle Relativität in mir aufging, von allerhand nervösen Konflikten heimgesucht wurde; ich ging wochenlang wie verwirrt umher, als ganz junger Mensch, wie gesagt, der wohl in solcher Lage erst einmal das Stadium der Betäubung durchlaufen mußte. Seitdem ist das anders geworden, und um meine Ruhe brauchen Sie sich keine Sorge zu machen.
    Immerhin, entgegnete ich, können doch Fälle eintreten, in denen ein Resultat durch Beobachtung oder Experiment bewahrheitet werden soll. Da können sich doch unter Umständen gefährliche Dinge ereignen. Wenn zum Beispiel die Theorie zu einer Berechnung hinführt und diese mit der Wirklichkeit nicht stimmt, so muß sich doch der Theoretiker schon durch die bloße Möglichkeit sehr bedrängt fühlen. Nehmen wir ein bestimmtes Ereignis: ich hörte davon, daß Sie auf Grund Ihrer Lehre die Bahn des Planeten Merkur einer neuen Berechnung unterzogen. Das war doch sicher eine langwierige und umständliche Arbeit. Die Theorie stand in Ihnen fest, vielleicht nur in Ihnen allein, noch nicht an einer erweislichen Tatsache verifiziert. Da müssen doch eigentlich psychische Spannungszustände als ganz unvermeidlich auftreten. Was geschieht, um Gottes willen, wenn das erwartete Rechnungsergebnis ausbleibt? Wenn es der Theorie zuwiderläuft? Das ist doch für den Begründer der Theorie gar nicht auszudenken!
    – Solche Fragen,
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