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Einsam, zweisam, dreisam

Einsam, zweisam, dreisam

Titel: Einsam, zweisam, dreisam
Autoren: Thommie Bayer
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Joe jemals mit dem Gürtel knarren kann, knallt Musik aus den Lautsprechern an der Decke, Das muß so sein. Liefe keine Musik, dann redete keiner der Gäste mehr ein einziges Wort. Man könnte es ja hören und womöglich widersprechen. So nickt man einfach mit dem Kopf, wenn man sieht, daß einer den Mund auf, und zumacht, und der ist dann zufrieden, daß er endlich mal so richtig sagen konnte, was er auf dem Herzen hat.
    Die Lautsprecher sagen gerade «China Girl».
    Scheißmusik, denkt Joe, denn für ihn ist alles Scheißmusik. In seinem Kopf läuft schon seit Jahren eine Endlos-Schleife von «I’m proud to be an Okee of Muskogee», und alles, was nicht dieses Lied ist, ist eben Scheißmusik.
    Auf dem Kugelschreiber, an dem er gedankenverloren herum-nagt, steht «Sparkasse Mörfelden». Der Kuli ist das Souvenir von einem «One night stand», oder besser «Half night stand». Sie war «eine politische», und wenn Joe was nicht leiden kann, dann «politische». Je mehr sie von ihren Demos und Aktionen schwärmte, desto mürrischer wurden Joes Antworten, und je mürrischer seine Antworten wurden, desto schmiß sie ihn schließlich raus. Bevor noch «Ficktechnisch», wie Joe das nennt, was hätte laufen können, saß er schon wieder im Taxi und hatte die Chance vertan. Blöde Politkuh, dämliche. Der Kuli schmeckt fusselig.
    Joe zerquetscht einen Bierdeckel, auf dem «Schlösser Alt» steht, der aber nach «Guiness extra stout» riecht, und geht sich selber auf die Nerven.
    Uns auch.
    Am Tisch neben der Eingangstür sitzen Happe und Stefan, Taxifahrer wie Joe, und reden über den hundertneunziger Diesel. Da sie sich den aber nicht leisten können, machen sie ihn runter, daß keine gute Speiche an seinen Felgen bleibt. «übermotorisiert» schreien sie und hauen die Faust auf den Tisch. Die gehn uns auch auf die Nerven.
    Ein bißchen weiter rechts, den Rücken zur Wand, die Tür im Blick und wie Joe an einem Kuli nagend, sitzt Thommie Bayer, der diese Geschichte schreibt.
    Genau wie Joe ist Thommie von der OEF aufs falsche Band gelegt worden. Während der Feierstunde, die alljährlich an Maria Verkündigung stattfindet, nahm ihn ein höhnisch «Hosianna» hauchender Saboteur vom Band der «Frauenentwilderungsciété», das ist die französische Babyversorgung, und schmuggelte ihn rüber zur «Selbstverwirklichungs GmbH».
    So geistert er als verirrter Franzose mit dem «Oh-la-la-l’amour-Quirl» im Herzen durchs finstere Grübel-Deutschland und sucht nach La Leichtigkeit, Liebe am Nachmittag und Savoir vivre.
    In der Feinkostabteilung von Karstadt kauft er Baguette, Vinaigre und Dijon-Senf zu überhöhten Preisen. Er geht mit Baskenmütze ins Bett, versäumt keinen Film mit Piccoli, und tränke er Bier, dann wäre das Kronenbourg. Er hat aber ein Glas Beaujolais vor sich stehen.
    Von Statur und Erscheinung her ist er diese feinnervige Künstlertype, die in den Truffaut-Filmen immer die besten Plätze belegt. Es kann als sicher angenommen werden, daß Jean-Pierre Leaud nur deshalb existiert, weil die Aktion der OEF entdeckt wurde und sich die «Frauenentwilderungs-société entschloß, dasselbe Modell noch mal zu liefern. Als Entschädigung für Frankreich.
    Thommie gegenüber sitzt eine Person und trinkt nichts, hat keine Kleider an, keinen Körper drunter, kein Gesicht und keine Stimme. Noch nicht. Es ist der Held der Geschichte. Thommie denkt nach.
    Thommie schreibt einen Satz.
    Plötzlich sitzt ein T-Shirt vor ihm. Ein T-Shirt mit nichts drin! Er schreibt ausgebleichte Jeans in sein Notizbuch, und gleich sitzen sie auch schon unter dem T-Shirt und rutschen unruhig auf dem Stuhl herum.
    Zum Glück sind alle Benutzer des Schnakenlochs ausschließlich mit sich selber beschäftigt, so daß keiner die seltsame Erscheinung bemerkt. Ein T-Shirt mit Jeans, denen Thommie gerade seine Schuhe hinstellt. Als er unter dem Tisch vorkommt, schreibt er Arme, ein Gesicht und eine Stimme aufs Blatt, spendiert dem Wesen noch eine Armbanduhr und lehnt sich beruhigt zurück.
    Das Wesen holt sich ein Glas Wein an der Theke. Thommie wirft ihm seinen Geldbeutel zu, denn die Jeanstaschen sind noch leer. Kein Hausschlüssel, kein Personalausweis, kein Geld, keine Fotos. Leer.
    Erwartungsvoll schaut Thommie dem Wesen entgegen, als es, Geldbeutel und Weinglas in derselben Hand, wieder an den Tisch kommt. Das Wesen setzt sich.
    «Was willst du von mir?» fragt es.
    Thommies Gesicht zeigt zuerst einen etwas überheblichen Gesichtsausdruck.
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