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Einsam, zweisam, dreisam

Einsam, zweisam, dreisam

Titel: Einsam, zweisam, dreisam
Autoren: Thommie Bayer
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Idealismus-Begrenzung, dem Kommunismus-Katalysator (Commie-Cat im Fachjargon) und dem sogenannten «Good-Groove-Goal», einer Art Problembewußtseinslimiter im seelischen Schaltkreis, sah sein Lebensplan natürlich völlig anders aus als einer, der sich im Schwarzwald verwirklichen ließe.
    Nämlich etwa so:
    Tragen einer roten Schildmütze werktags / Eines weißen Stetson sonntags / Rauchen von Marlboro nicht unter einer Schachtel pro Tag / Fahren eines Mack-Trucks / Verachten aller Neger mit Ausnahme des einen guten, den man kennt und gelegentliches Vernaschen einer Drive-in Kellnerin, die die Hamburger auf Rollschuhen serviert.
    Hier heißt er Josef. Josef Scharmer.
    Die Nachbarskinder riefen ihn Säbby-Bäbby, seine Schulkameraden nannten ihn Sepp. Später nannte er sich selber Kid, dann Jody, dann Joe. Die Namensänderung kostete ihn so viel Lebensenergie, daß er schlecht in der Schule war, aus zwei Lehren flog und seinen armen Eltern überhaupt recht wenig Freude bereitete.
    Seine offenbare Ruhelosigkeit und Fehlanpassung legte sich erst, als sogar seine Mutter eingewilligt hatte, ihn Joe zu nennen.
    Und nicht mehr Josef oder Josselchen.
    Er wurde Taxifahrer, verdiente eigenes Geld, und seine Eltern konnten endlich beruhigt altern. Sie widmeten sich dem Kegeln (was Joe beharrlich «Bowling» zu nennen pflegte) und pusselten den lieben langen Tag in einem kleinen Garten herum, wo sie allerlei eßbares Grünzeug anpflanzten.
    Joe hatte nun zwar eine sinnvolle Beschäftigung und eigenes Geld, aber die große Unlust seiner Jugend war geblieben. Irgendwo tief drinnen spürte er, daß er am falschen Platz herumfuhrwerkte. Er wurde das Gefühl nie ganz los, daß man ihn gar nicht beachte. Nie geht es um mich, dachte er manchmal, und das stimmte. Wann immer er im Leben anderer vorkam, war es als Nebensache oder Störfaktor.
    Selbst in dieser Geschichte geht es nicht um Joe. Aber wenn er schon hier rumsteht und die Aussicht auf wesentliches verstellt, dann können wir ihn uns auch genausogut ein bißchen genauer anschauen.
    Also: Es sieht zwar aus, als wäre es bloß eine Lederjacke mit Koteletten drüber, aber es ist Joe. Lässig lehnt er am Tresen und hat sein Spielbein so angewinkelt, daß er mit dem Absatz des Cowboystiefels in die Chromstange kurz über dem Boden einhakt.
    Er läßt die Bauchmuskeln spielen, damit sein Gürtel knarrt. Er mag es, wenn sein Gürtel knarrt. Knarren von Leder ist seit jeher das Geräusch, von dem er sich am besten repräsentiert fühlt. Das klingt so nach Ranch-Koppel in Arkansas.
    Knarz.
    Also, Joe steht am Tresen angelehnt; der Tresen ist stilistisch an ein englisches Pub angelehnt; die ganze Kneipe ist an so eine dunkelgebeizte Idee von einsamer Männlichkeit angelehnt, und die männlichen Gäste sind größerenteils an Karl Heinz Köpke angelehnt.
    Wenn man bloß mal den Bart nimmt.
    Frauen kommen hier nicht so vor. Die wenigen, die man sieht, sind an ihre Männer angelehnt. Oder an das, was mal ihre Männer werden soll. Die Frauen sehen aus, als wären sie gerade aus der Brigitte herausgehüpft, und zwar direkt von der Diät-Frisuren-und-Kosmetik-Seite. Auf dieser Seite gibt es immer zwei Bilder von derselben Frau. «Vorher» und «Nachher». Die Frauen hier sehen alle aus wie «Nachher». Nachher, das ist, wenn der Retuscheur seine fünfzig Mark verdient hat. Nachher können die Frauen sich wieder in die Kneipe trauen.
    Die Kneipe heißt «Schnakenloch».
    In Joes Sprache hieße das «Mosquito-hole» und ergäbe auch nicht mehr Sinn. Schnaken wohnen nicht in Löchern. Sie haben welche, winzigkleine, durch die der Rhesus-Faktor rein kann in das hungrige Schnakenbäuchlein, aber nach diesen Löchelchen ist die Kneipe nicht benannt. Das behaupten wir jetzt mal.
    Im Schnakenloch gibt es «Über zwanzig Biersorten», und für jedes dieser Biere kommt einmal der Moment, wo es heißt Abschied nehmen vom heimeligen Faß und an irgendeinem Bart vorbei in den Bierhimmel fließen.
    Im Augenblick sitzen nur drei Männer ohne Bart hier. Einer davon ist Joe.
    Wer möchte übrigens mal raten, welche Biersorte er trinkt? Richtig. Budweiser.
    Die Bärte sind von dieser seitlich anrasierten Art, wie sie bei Hauptfeldwebeln, Karl Heinz Köpke, dem Mann von der Allianz-Versicherung und der Besatzung der niederen Ränge im Tierversuchslabor vorkommt. Der Fachhochschulbart also.
    Man muß sich die Gäste etwa so vorstellen: Gerade noch Friedensbewegung, aber schon nicht mehr Tempolimit.
    Lauter als
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