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Einsam, zweisam, dreisam

Einsam, zweisam, dreisam

Titel: Einsam, zweisam, dreisam
Autoren: Thommie Bayer
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Dependance ausgebaut. In diesem Fenster stehen Regina und Malcolm.
    Malcolm streicht mit der Hand über ihre Brust und küßt sie auf den Mund. Sie greift über Kreuz an ihre Taille, um sich den Pullover über den Kopf zu ziehen. Malcolm geht zum Fenster und zieht den Vorhang vor.
    Ein senkrechter Strich aus Licht bleibt übrig. Der Strich verschwimmt und wird zu einer Welle, die sich glitzernd schlängelt, wie die Silvesterdekoration einer Kneipe. Sig wischt sich mit der Hand über die Augen, aber die Linie wird nicht wieder klar.
    Im Wald irgendwo setzt er sich auf irgendwas und steht erst auf, als ein Schüttelfrost ihn zwingt. Es klingt wie die Verkündung eines Urteils, als er die eigene Stimme in seinem Kopf schreien hört: Sie soll schlafen, mit wem sie will, sie soll es nur auch mit mir tun.
    Auf dem Rückweg sieht er wieder klar. Im Garagenhaus ist kein Licht mehr. Er muß lange weggewesen sein. Auch das Haupthaus ist dunkel, also ist Regina zurück. Sie darf nichts merken, denkt er, vielleicht schläft sie schon wieder. Sie darf nicht wissen, daß er es weiß. Er hat nichts damit zu tun. Sie soll es tun, mit wem sie will, wenn sie es nur auch mit ihm tut.
    Im Flur trägt er die Schuhe in der Hand. Es scheint, als ob sie wirklich schläft. Sie atmet regelmäßig, als er die Tür leise schließt. Sie darf nichts merken. Das Bild verschwimmt wieder.
    Er ist schon beinah ausgezogen, da schleudert ihn ein Niesreiz fast vom Fleck. Er unterdrückt das Geräusch, indem er die Hand auf die Nase preßt. Hoffentlich hat sie nichts gehört.
    Sie rührt sich nicht.
    Vorsichtig legt er sich neben sie und liegt stocksteif vor Leid und Verwirrung Stunde um Stunde, bis er endlich einschläft.
    Als er aufwacht, weiß er nicht, ob er wirklich geschlafen hat. Er spürt nichts. Vielleicht ist das Bild in seinem Kopf nicht mit ihm aufgewacht? Vorsichtig zieht er die Decke von sich.
    Das Zimmer ist leer. Nichts, auch kein Koffer ist von Regina zu sehen. Auch im Bad: Nichts.
    Auf dem Tischchen am Fenster liegt ein Zettel. Neben dem Zettel liegt ein Bündel Banknoten. Es sind hundertfünfzig Pfund. Auf dem Zettel steht: Gesundheit.
    Er spürt nichts.
    Ohne jemandem zu begegnen, geht er mit seinem Koffer aus dem Hotel. Zum nächsten Ort wird es wohl eine halbe Stunde Fußweg sein. Von dort fährt ein Bus.
    Irgendwohin.

U nvollständig und sinnlos wären alle Dinge auf dieser Welt, hätten sie nicht einen Henkel.
    Die Menschen glauben, dieser Henkel sei zum Anfassen da, aber Gott weiß, wozu er den Henkel erschaffen hat. Zum Wegschmeißen.
    Solch einen Henkel hat jedes Ding.
    Jedes.
    Bei der Erde zum Beispiel ist es vermutlich der Eiffelturm.
    Bei Tassen, Kannen und Schüsseln erkennt man den Henkel gleich. Da heißt er sogar Henkel.
    Aber schon ein Aschenbecher ist raffinierter konstruiert. Henkel und Ding in einem.
    Wo sich der Henkel bei Männern und Knaben befindet, wurde uns schon angedeutet. Aber oft ist es auch der Stolz.
    Bei Frauen ist es ein Ohrring, Brautkleid oder Volkshochschulkurs. Unter Umständen auch eine Psychoanalyse.
    Bei Autos das Gaspedal.
    Bei einem Radiohit ist es immer der Refrain.
    Beim Computer das Wort «Vielleicht».
    Bei einer Ukulele ist es vielleicht die E-Saite.
    Bei Geigen und Celli die C.
    Bei einem Panzer ist es das Rohr.
    Bei Italien die Gegend um Brindisi.
    Bei der Liebe die Liebe.
    Bei Büchern erkennt man den Henkel oft schwer, es sind meist die Seiten achtzig bis hundertzwanzig, aber manchmal auch einunddreißig andere Seiten.
    Bei dieser Geschichte ist es ein Niesen oder die zur Dependance umgebaute erste Etage des Garagenhauses des Tarn Hows Hotels in der Gegend von Windermere, Lake District, Cumbria, England.
    Alles Gute.
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