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Eine zweite Chance

Eine zweite Chance

Titel: Eine zweite Chance
Autoren: Karin Alvtegen
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ohne überflüssiges Gerede. Zwischendurch schlummerte er ein. Sie fragten nochmals, ob er mit einem Angehörigen Kontakt aufnehmen wollte, und er schwindelte, um nicht sagen zu müssen, wie es stand. Freilich gab es Bekannte, aber kaum jemanden, den er von der Intensivstation des Sundsvaller Krankenhauses aus anrufen wollte. Er hatte kaum noch Kontakt zu seinen Bekannten, und er war sich bewusst, welche Schuld er selbst daran trug. Freundschaft verlangte Gegenseitigkeit, und er hatte es immer mehr vernachlässigt, von sich hören zu lassen. Wenn er ehrlich war, hatte sich einiges verschlechtert, seit er aufgehört hatte zu arbeiten. Erst spät hatte er seinen Fehler eingesehen. Nichts war so geworden, wie er es erwartet hatte.
    Er streckte sich nach dem Glas und nahm einen Schluck Wasser, um den faden Geschmack im Mund wegzuspülen. Er sah die Schnitten, die ihm die Schwester gebracht hatte. Der Käse war vertrocknet und hatte sich zu einer Schale gewölbt, er langte nach der mit dem Schinken. Als er in das Brot biss, nahm er den warmen Fleischgeschmack wahr. Die losen Fäden fanden einen Halt, und die Erlebnisse des Nachmittags nahmen Form an. Jetzt erinnerte er sich daran, wie er von der Tankstelle weggefahren war, welche Musik er gehört und wie er den Senf auf seine Hose gekleckert hatte.
    Leider erinnerte er sich auch an das, was auf dieser geraden Strecke passiert war.
    Niedergeschlagen dachte er über die Tatsache nach, dass er hier gelandet war. Diese Alternative hatte er nicht in Betracht gezogen. Er hatte das Schicksal gebeten, zwischen zwei Varianten zu wählen, als er ihm die Verantwortung für seinen Entschluss überlassen hatte.
    Ich schließe die Augen und zähle bis dreißig. Mach mit meinem Leben, was du willst.
    Alles, was er gewollt hatte, war es, der Sinnlosigkeit ein Ende zu bereiten.
    Zu sterben und alles hinter sich zu lassen – oder ein Gefühl von Leben zurückzubekommen, nachdem sich der Tod in greifbarer Nähe befunden hatte.
    Mit geschlossenen Augen hatte er die Entscheidung auf sich zukommen lassen, und eine eigentümliche Erwartung hatte ihn erfüllt.

Kapitel 2
    Helga Andersson war tot, und somit hatte Helena keine Hilfe beim Servieren des Frühstücks am nächsten Morgen. Nicht dass Helga selbst zum Personal gehört hätte, doch ihre Nichte Anna-Karin, die bei Bedarf einsprang, hatte angerufen und gesagt, sie sei zu mitgenommen, um arbeiten zu können. Helena nahm diese Nachricht relativ gelassen auf. Es kam ziemlich oft vor, dass Anna-Karin sich mitgenommen fühlte. Tauchte eine noch so kleine Gelegenheit auf, die vorgeschoben werden konnte, musste die Freundin sie ergreifen. Aber ein Todesfall war immerhin ein Todesfall, auch wenn Helga Andersson seit acht Jahren ein Pflegefall gewesen war.
    Vor dem Fenster war es schon dunkel geworden. Die schwarze Silhouette der Berge ruhte vor dem mondbeschienenen Himmel. Ihr kam in den Sinn, wie viel Zeit vergangen war, seit sie sich das letzte Mal die Zeit für einen Spaziergang genommen hatte. Einfach loszugehen und sich treiben zu lassen, wie sie es geliebt hatte zu wandern, wenn die vielfältige Stille des Waldes alles verdrängte und neuen Gedanken Platz machte.
    Jetzt war selten Zeit für die Dinge, auf die es möglich war zu verzichten.
    Sie ordnete die Papiere hinter der Rezeptionstheke, löschte die Lichter und ging zum Speisesaal. Die beiden Hotelgäste dieser Nacht waren in ihren Zimmern verschwunden, und sie räumte den Esstisch ab. Der Hahn in der Küche tropfte. Sie schrieb »Dichtung wechseln« auf ihre To-do-Liste, las rasch die anderen Punkte und strich »Milchprodukte bestellen« und »Licht in der Vorratskammer reparieren« durch. Sie empfand immer die gleiche Befriedigung, wenn sie den Stift über das führte, was erledigt worden war. Ein notwendiger Selbstbetrug, dass alles eines Tages fertig sein würde. Doch die Arbeiten am Hotel schienen nie enden zu wollen. Auch wenn es nur zehn Zimmer hatte und selten ausgebucht war.
    Es war schon genug zu tun gewesen, als sie noch zu zweit waren.
    Bei allem, was sie tat, schmerzte der Gedanke daran. Zu wissen, dass die Hände, die sie früher unterstützt hatten, sich jetzt mit anderen Dingen beschäftigten.
    Sie sah sich in der Küche um, löschte die Lichter und schloss ab. Die Umsatzsteuererklärung für diesen Monat musste warten. Ihr gingen die Kräfte aus, und die Gäste wollten schon um sieben Uhr frühstücken. Sie ging die Treppe hinauf zu den Zimmern, die zur Privatwohnung
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