Eine Wiener Romanze: Roman (German Edition)

Liebesakt. Diese wunderschönen Beschreibungen, die eindeutig die eines Erzählers sind, wurden an anderen Stellen eingefügt, wo sie in Stil und Inhalt hingehörten.
    Eine weitere schwierige Entscheidung stand bei der Rahmengeschichte an. Anders als in anderen Teilen des Manuskripts gab es hier zwar keine unfertigen Stellen, aber da diese Geschichte nicht abgeschlossen wurde, blieb eine störende Kluft zwischen Rosts nächtlichem Spaziergang durch Paris, vom Café über die Brücke bis zum Zimmer einer Prostituierten, und der letzten Szene, die sich in Rosts Wohnung mit einer zuvor noch gar nicht erwähnten Partnerin abspielt, der er nun den Laufpass gibt. Wegen dieser Kluft und auch aus Gründen der Gesamtsicht schien es angebracht, diese Szene ans Ende des Manuskripts zu versetzen, denn dort konnte sie die Rahmengeschichte abschließen und den Abstand zwischen dem jungen Rost in Wien und dem erwachsenen Rost in Paris noch einmal in Erinnerung rufen. In der Pariser Eröffnungsszene wird erstmals eine ArtSkizze der Haupthandlung vorgestellt, und zwar aus dem Mund eines stotternden Schauspielers, der Rost von seinen Liebeleien mit einer Mutter und ihrer Tochter im Krieg erzählt, und eine Seite später kommt Rost die vage Erinnerung an eine ähnliche Nacht, »unter Massen von Jahren und Ereignissen begraben«. Auch deshalb erschien es richtiger, die Pariser Exposition an dieser Stelle zu beenden und nicht mit der späteren, ziemlich fernen Szene. So wird die Erinnerung des älteren Rost stärker betont, eine Erinnerung, die den Kern des Romans, seine Frühzeit in Wien, aufleben lässt.
    Falls einige Leser uns entrüstet vorwerfen sollten, dass wir das Manuskript nicht in seiner Rohfassung belassen haben, so sei ihnen versichert, dass das Material nach wie vor öffentlich zugänglich bleibt und in all seinen Stadien der Kritik offensteht. Wir haben unsere Entscheidungen getroffen, damit der Leser unserer Zeit ein Werk lesen kann, das jahrzehntelang im Verborgenen lagerte und nun gelesen werden sollte, und das nicht nur mit dem Vergrößerungsglas. Wer im März 1913 in sein Tagebuch schrieb: »Jetzt befinde ich mich zwischen zwei Höllenfeuern: Sterben will ich nicht, und so leben wie alle kann ich nicht«, 13 und im August 1916: »Du bist doch leer, wie du vor dem Krieg gewesen bist. Leer, leer. Und man kann auf nichts hoffen. Nur auf den Tod zuschreiten. Langsam schreiten, unter anhaltendem Gähnen«, 14 der konnte aus demselben fruchtbaren Boden mit Meisterhand eine lebendige, farbenprächtige, leidenschaftliche Welt erschaffen, deren Figuren – ob Spiegelbilder seiner selbst oder seiner Bekannten, ob Phantasiegebilde – ihn bis zum Bersten erfüllten mit ihrem Leben und Treiben,ihren Trieben und Begierden, ihren Herzenswünschen und ihren Reden über den Sinn des Lebens. Sie alle, auch die Verzweifeltsten unter ihnen, sind meilenweit entfernt vom Gähnen.
    Youval Shimoni und Lilach Netanel

Informationen zum Buch
    Ein Jahrhundertfund – »Dieser Roman ist ein Wunder.« Maariv
    Zu pikant, um gedruckt zu werden – das war »Eine Wiener Romanze«, bis der Roman 100 Jahre nach seiner Niederschrift auf den Rückseiten eines unverfänglichen Manuskripts entdeckt wurde. Er erzählt die Geschichte des Michael Rost, der im Wien vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs sein Glück sucht. Der junge Müßiggänger verkehrt mit Anarchisten, Aristokraten und leichten Mädchen. Er liebt den Duft der Kastanien und seine Zimmerwirtin. Als er eine Affäre mit ihrer 16-jährigen Tochter beginnt, gerät er an den Rand des Untergangs.
    Im Wien der Vorkriegszeit will er sein Glück machen: Michael Rost, 18 Jahre jung, mittellos, jüdisch, ein Müßiggänger und Flaneur. Als er sich bei einer wohlhabenden Familie einmietet, wird er von der Dame des Hauses verführt und beginnt eine Affäre mit ihrer 16-jährigen Tochter – eine Dreiecksbeziehung, die die Familie bedroht und Rost an den Rand des Untergangs bringt. Viele Jahre später lebt er in Paris und erinnert sich an seine Jugend. Noch immer ist er heimatlos. »Eine Wiener Romanze« ist ein erstaunlich junges und modernes Buch, es schildert Jugendwahn, Urbanisierung, Religionslosigkeit, Einsamkeit und freie Liebe und das alles vor dem Hintergrund einer bröckelnden Donaumonarchie.
    David Vogel ist ein Schriftsteller vom Rang eines Schnitzler, Werfel oder Joseph Roth. Sein Roman erzählt eine aufregende Lolita- und Dreiecksgeschichte von schönster Traurigkeit und Poesie. Zugleich