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Johnson, Denis

Johnson, Denis

Titel: Johnson, Denis
Autoren: Jesu’s Sohn
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    ... Ich stand auf, durchnäßt bis auf die Knochen, denn ich hatte im strömenden Regen geschlafen, und noch nicht so richtig bei mir, und alles wegen der ersten drei der eben erwähnten Leute – dem Vertreter, dem Indianer und dem Studenten –, die mir von ihren Drogen abgegeben hatten. Ich wartete am oberen Ende der Auffahrt, ohne große Hoffnung, daß jemand halten würde. Weshalb hätte ich meinen Schlafsack zusammenrollen sollen, wo ich doch sowieso zu naß war, um mitgenommen zu werden? Ich legte ihn mir wie ein Cape um die Schultern. Platzregen harkte den Asphalt und gurgelte in den Spurrillen. Meine Gedanken rasten erbärmlich. Der Handelsvertreter hatte mich mit Pillen vollgestopft; jetzt war mie, als hätte man mir die Venen ausgeschabt. Mein Kiefer tat weh. Ich kannte jeden Regentropfen mit Namen. Ich sah alles kommen, ehe es geschah. Ich wußte, daß ein bestimmtes Oldsmobile halten würde, ehe es noch das Tempo drosselte, und als ich drinnen die süßen Stimmen der Familie hörte, wußte ich, daß wir in dem Unwetter einen Unfall haben würden.
    Es war mir egal. Sie sagten, sie könnten mich mitnehmen.
    Der Mann und die Frau holten das kleine Mädchen zu sich nach vorn und ließen das Baby hinten bei mir und meinem triefenden Schlafsack. «Besonders schnell werden Sie mit uns aber nicht sein», sagte der Mann. «Wegen meiner Frau und den Kindern, wissen Sie.»
    Euch hat die Vorsehung geschickt, dachte ich. Und knüllte den Schlafsack gegen die Tür zu meiner Linken, bettete mich drauf und verschwendete keinen Gedanken daran, ob ich weiterleben oder sterben würde. Das Baby schlief ungesichert neben mir auf dem Sitz. Es war ungefähr neun Monate alt.
    ... Nicht lange zuvor, am Nachmittag, war ich noch im Luxusauto des Vertreters nach Kansas City gerauscht Er hatte mich in Texas aufgelesen, und vom ersten Moment an hatte sich zwischen uns eine gefährliche, zynische Kumpanei entwickelt Wir zogen uns seine Amphetamine rein, und alle naslang fahren wir von der Interstate ab, um eine Flasche Canadian Club und einen Beutel Eiswürfel zu kaufen. An der Innenseite beider Wagentüren waren zylindrische Glashalter angebracht, und alles war weiß und ledrig. Er sagte, er werde mich zu seiner Familie nach Hause mitnehmen, ich könne dort übernachten; er wolle bloß noch bei einer Bekannten vorbeischauen.
    Unter Wolken wie großen grauen Gehirnen verließen wir den Highway und fuhren im dichten Abendverkehr nach Kansas City hinein. Wir hatten uns gefühlt, als flögen wir; jetzt fühlten wir uns wie auf Grund gelaufen. Und sobald wir langsamer wurden, war der Zauber des gemeinsamen Reisens dahin. Er hörte nicht auf, von seiner Freundin zu reden. «Ich mag das Mädchen, ich glaub sogar, ich liebe das Mädchen – aber ich hab zwei Kinder und eine Frau, das bringt Verpflichtungen mit sich. Und zu allem Überfluß liebe ich auch meine Frau. Bin eben ein echtes Liebestalent. Ich liebe meine Kinder. Ich hebe die ganze Sippe.» Als er kein Ende fand, fühlte ich mich links liegengelassen und wurde traurig. «Ich hab ein Boot, so ein kleines Sechs-Meter-Ding. Ich hab zwei Autos. Hinterm Haus ist noch Platz für ‘nen Pool» Er fand seine Freundin bei der Arbeit. Sie hatte einen Möbelladen, und dort verlor ich ihn aus den Augen.
    Die Wolken blieben, bis es Nacht wurde. In der Dunkelheit merkte ich nicht, wie der Sturm sich zusammenbraute. Der Fahrer des Volkswagens, ein Universitätsmensch, eben der, der mir den Kopf mit Haschisch zudröhnte, setzte mich hinter der Stadtgrenze ab, und genau in dem Augenblick begann es zu regnen. Und obwohl ich Massen von Speed genommen hatte, konnte ich mich nun nicht mehr auf den Beinen halten. Ich legte mich neben der Ausfahrt ins Gras und erwachte in einer Pfütze, die sich um mich herum gebildet hatte.
    Und später, wie gesagt, schlief ich dann auf dem Rücksitz, während das Oldsmobile – und mit ihm die Familie aus Marshalltown – sich durch den aufspritzenden Regen kämpfte. Und doch träumte ich, ich könnte durch meine Augenlider sehen, und mein Puls vermerkte jede Sekunde. Die Interstate durch das westliche Missouri war damals nichts als eine zweispurige Straße, wenigstens zum größten Teil. Immer wenn ein entgegenkommender Sattelschlepper an uns vorbeifuhr, nahm uns ein Wasserschwall völlig die Sicht, und ein Getümmel von Geräuschen überzog uns, ungefähr wie in einer automatischen Waschanlage. Die Scheibenwischer flappten auf der Windschutzscheibe
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