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Eine verlaessliche Frau

Titel: Eine verlaessliche Frau
Autoren: Robert Goolrick
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seinem Vater eingeholt und so geschlagen, wie er als Junge geschlagen worden war, nur dass er diesmal schuldig und verworfen und erfüllt von Schrecken war und dass beide es wussten.
    Sie liefen miteinander kämpfend die ganze Wiese hinunter, Antonio griff nach allem, was er gerade zu fassen bekam, und schlug damit zurück – Stöcke, Steine – und verletzte Ralph, so dass der am Kopf zu bluten begann. Aber Ralph war jetzt nicht mehr zu bremsen, als er seine Fäuste einsetzte, um die Erinnerung an die Frau, die ihn ausgenutzt hatte, an das Kind, das weggelaufen war, an die Tage, die er triebhaft und zügellos vergeudet hatte, während sein Vater im Sterben lag, an die Mutter, die ihm die Nadel in die Hand getrieben hatte, mit seinen Schlägen auszumerzen. In diesem wilden Zorn ergoss sich die ganze Wut all dieser Jahre.
    Catherine stand auf der breiten Steinterrasse und fürchtete sich davor, weiterzugehen, sie fürchtete sich davor, sich einzumischen, und wusste, dass, was auch immer jetzt geschähe, das Ende bereits feststand. Mrs. Larsen stand nun, lauter Mehl im Haar, neben ihr. Catherine konnte ganz genau sehen, was dort geschah und was auf der Wiese vor sich ging, den Araberhengst, der mit gesenktem Kopf im kurzen Gras stand und dann erschrocken den Kopf hob, als die beiden Männer schreiend und aufeinander einschlagend an ihm vorüberrannten.
    Sie erreichten den Teich, Antonio schlitterte aufs Eis hinaus und stand dann da wie ein Bulle im Ring, verletzt und blutend, und die Tränen liefen ihm nach wie vor das Gesicht hinab. Er hatte keine Kraft mehr zu kämpfen. Er war am Ende seiner Kräfte, am Ende seines Hasses, am Ende seiner Reue, und er stand jetzt auf dem schwarzen Eis in der Mitte des Teichs und wartete darauf, getötet zu werden. Er dachte an die Tage im Himmel, er dachte an die Wiedervereinigung mit seiner Mutter, er dachte an den unvorstellbaren Schmerz des Sterbens, an den physischen Schmerz, den ein Körper aushalten konnte, bevor er aufgab, bis der unwiderrufliche Schlag gnädigerweise kam und damit die Dunkelheit.
    Ralph blieb am Rande des Teiches stehen. Auch er blutete aus einem Schnitt am Kopf, seine Hände waren gebrochen, und der Schmerz schoss ihm bis in die Arme hoch. Auch er merkte, dass seine Wut verraucht war und dass er es, obwohl das Unverzeihliche immer noch unverzeihlich und der Schrecken immer noch schrecklich blieben, einfach nicht fertigbrachte. Er dachte an die Berichte in der Zeitung, an die Selbstmorde, die Morde und die Leichen, und er fand, dass die Lebenden schöner waren als die Toten und dass am Ende etwas gerettet werden musste, auch wenn das gleichbedeutend damit war, es auch ertragen zu müssen. Antonio würde gehen. Sie würden Antonio nie wiedersehen, und er würde mit seiner Schuld, seiner Scham und seinen Erinnerungen allein sterben, aber es würde keine Leiche geben, die man auf den Friedhof tragen müsste, heute nicht. In seinem Haus würde es kein totenbleiches Fleisch mehr geben, nie mehr. Er würde um seinen Verlust trauern, aber er würde seinen Sohn heimlich immer noch lieben und ihm Geld schicken, und wenn er starb, würde man nach dem Sohn schicken, und er würde am Grab des Vaters stehen und sich wieder an diesen Tag erinnern, als wäre der vor sehr langer Zeit jemand anderem widerfahren.
    Dann hörten sie das Krachen. Eine weiße, gezackte Linie fuhr durch das schwarze Eis, und Antonio brach ein, tauchte ins eisige Wasser und unter das Eis. Unterm Eis kam er noch einmal hoch, bekam keine Luft, schlug mit dem Kopf an, und sein Blut vermischte sich mit dem schwarzen Wasser.
    Antonio kämpfte, aber er fand den Ausweg nicht, er versank in Bewusstlosigkeit, versank in der friedlichen Kälte des schwarzen Wassers, und sein Körper war nur noch vage unter der vereisten Oberfläche zu sehen.
    Ralph Truitt heulte vor Schmerz auf und versuchte, zu seinem Jungen zu gelangen, aber das Eis gab unter ihm nach, und er strampelte in dem eisigen Wasser herum. Er rannte zur Scheune, wo er eine Stange und ein Seil entdeckte, und raste zum Teich zurück, versuchte, ihn zu retten, versuchte, all die Jahre und Tage zu retten, begriff nicht oder wollte nicht begreifen, dass Antonio bereits tot und fort war. Unter dem Eis sah man Wolken von Blut, die seinen toten Körper umgaben, der mit ausgebreiteten Armen dahintrieb, als würde er fliegen, mit gesenktem Kopf, als würde er aus
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