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Eine verlaessliche Frau

Titel: Eine verlaessliche Frau
Autoren: Robert Goolrick
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zu offensichtlich, als dass er sie einfach hätte ignorieren können, und er hatte das schließlich schon einmal durchgemacht. Vielleicht war es einfach nur Truitts Erschöpfung gewesen, die ihn daran gehindert hatte, sie zu schlagen, als er vom zugefrorenen Teich, der stillen Weide, dem sich aufbäumenden Araberhengst und dem ertrunkenen Antonio zurückgekehrt war.
    Es gab etwas, das sie ihm sagen wollte. Nicht über das Leben, das in ihr, jeden Tag ein Stück mehr, wuchs, sondern über die Tugenden seines Herzens, über die Jahre, die er in geduldiger Demut gewartet hatte, damit das Glück ihn fand. Darüber, dass er alles unternommen hatte, um sein kleines, bescheidenes Glück zu machen, und schrecklich betrogen worden war. Es gab keine Entschuldigung, die sie hätte vorbringen können. Sie hatte mehr gewusst als er, und sie hatte dieses Wissen eingesetzt, um sein Leben noch einmal zu zerstören, obwohl er sich doch so sorgfältig dagegen gewappnet hatte.
    Sie wusste nicht, wo im Hause er sich aufhielt. Seit dem Mittagessen hatte sie ihn nicht mehr gesehen. Er zog sich in sein Arbeitszimmer oder in das blaue Schlafzimmer zurück, und sie hatte keine Möglichkeit herauszufinden, was er tat oder worüber er nachdachte. Sein Schweigen erstickte sie, sie ertrug seine Distanziertheit nicht.
    Sie würde für ihn sterben, wenn er sich dann besser fühlen würde. Aber es würde zu gar nichts führen, sondern nur den schrecklichen Ereignissen, die er sich nie hätte vorstellen können, noch eines hinzufügen.
    Nie zuvor, bis zu Truitt, hatte sie etwas gehabt, an das sie sich hätte halten können, nichts, was sie an einen bestimmten Ort oder an eine bestimmte Zeit gebunden hätte. Und dann hatte sie ihm, im Glauben, dass es ohnehin auf nichts ankam und dass kein Augenblick über diesen Augenblick hinaus Folgen hätte, echten Schaden zugefügt. Sie hatte zugestimmt, ihn zu töten, ohne sich klarzumachen, dass er tatsächlich sterben würde. Sie hatte zugestimmt, ihn zu heiraten, ohne sich klarzumachen, dass eine Heirat wirklich einfache Freuden mit sich brachte, dass man nun einen Gefährten hatte, dass man für jemand anderen sorgen und immer auch für jemand anderen mitdenken konnte. Sie nahm an, dass sie ihn nach diesem Tag nicht mehr wiedersehen würde, und merkte jetzt, dass dieser Gedanke sie unermesslich traurig machte.
    Irgendwo gab es für die anderen Menschen, über die sie so oft nachdachte, das Tröstliche der Kontinuität, der Gewohnheit. Sie begriff durchaus, dass das nicht immer leicht war. Die Winter waren lang, und in dieser makellosen Luft blühten zugleich Tragik und Wahnsinn. Selbst auf dem Land verschonte der Wahnsinn dieser Zeiten die Menschen nicht. In ihrem Leben waren immer wieder Menschen gekommen und wieder gegangen, manche waren amüsant gewesen, die meisten nicht, aber ihr Gehen kam für sie so wenig überraschend wie ihr Kommen. Dann war Truitt gekommen, und ihn jetzt zu verlassen, bedeutete das Ende jeglichen Trostes für Catherine Land.
    Sie wusste nicht, wo sie mit ihren Händen hinsollte. Noch fror sie nicht, und das Haus sah warm aus, als nun allmählich die Lichter angingen, während Mrs. Larsen langsam von Zimmer zu Zimmer ging. Mrs. Larsen hatte Antonio schon als Baby gekannt. Sie hatte zugesehen, wie er, neben seiner Schwester, in die Erde gesenkt wurde, und sich abgewandt, als wäre es das Natürlichste von der Welt. Für sie ging das Leben weiter, man bereitete die Abendessen zu, zündete die Lichter an und kam auf diese Weise von einem Tag zum nächsten. Die alltägliche Gewohnheit bewahrte sie vor dem Kummer, vor dem Schrecken über den plötzlichen Wahnsinn ihres eigenen Mannes, vor dem Schmerz, zu sehen, wie ein junger Mann, dessen Liebreiz die Welt schon lange vor seinem Körper verlassen hatte, einfach wegstarb.
    Es war vier Uhr, und um sie herum stand alles vollkommen still. Der Wind war abgeflaut, und die Tiere auf den Feldern, selbst der Araberhengst, standen da und beobachteten, wie das Licht nun plötzlich schräger einfiel und der Abend hereinbrach. Die große Hausfassade mit ihren imposanten Fenstern und den klassischen Statuen, die den Dachrand säumten, leuchtete golden und dunstig auf. Es war die Stunde, in der sie angekommen war. Ihr weggeworfenes Kleid. Ihr verlorener Schmuck. Truitt, der auf dem Bahnsteig in einem schwarzen Mantel
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