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Eine undankbare Frau

Eine undankbare Frau

Titel: Eine undankbare Frau
Autoren: Karin Fossum
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Demut fehlte. Sie unterstellte ihm, die Situation auszunutzen. Denn derjenige, der sie in den vergangenen Wochen mit seinen irrsinnigen Ideen zum Narren gehalten hatte, der hatte doch wenigstens über ein Maß an Raffinesse verfügt, fand sie. Das ließ sich nun einmal nicht leugnen. Erfinderisch und phantasievoll, das war er, und er hatte Stil. Sie hatte ihre Todesanzeige ausgeschnitten und in einem kleinen silbernen Rahmen an die Wand gehängt. Jeden Morgen, wenn sie in die Küche kam, las sie die Anzeige und dachte: Oh nein. Noch nicht. Ich bin noch immer da. Und dieser Gedanke bereitete ihr eine ganz besondere Freude.
    Sverre Skarning sprach mit seiner syrischen Frau Nihmet über die Angelegenheit. »Der hat doch alles Mögliche angestellt«, sagte Nihmet. »Unser Terrorist. Er hat so viel angerichtet. Kein Wunder, dass ihm auch dafür die Schuld zugeschoben wird. Das ist der Preis, den er bezahlen muss. Oder er soll sich melden und alles erklären. Wenn nicht, dann glauben wir, was wir wollen.«
    »Bjørn Schillinger ist hier oben aufgewachsen«, sagte Skarning. »Er hat seit dreißig Jahren Hunde. Im Sommer, wenn er mit ihnen mit dem Wagen trainiert, hält er an, wenn Leute durch die Schneise gehen. Und im Winter lässt er die Skiläufer vorbei. Er ist rücksichtsvoll und hat sich in jeder Hinsicht tadellos verhalten. Die Hunde sind sein Lebenskapital und er sorgt auf jede erdenkliche Weise für sie. So etwas wäre ihm nie im Leben passiert. Das Abschließen des Zwingers vergessen? Nie im Leben.«
    Nein, es war einfach nicht zu begreifen.
    »Ich mag ihn nicht«, sagte Nihmet. »Er fährt in seinem Landcruiser wie ein Schwein. Er ist brutal, Sverre. Und dann dieser Blick von ihm. Wie ein Wilder. Hast du den noch nie gesehen?«
    Francis und Evelyn Mold hatten dem Menschen, der ihnen die schlimmste aller Ängste eingejagt hatte, noch nicht verziehen. Aber auch sie zweifelten an der Sache mit dem Hundezwinger. Dass jemand die Tür geöffnet haben sollte, das hörte sich doch seltsam an.
    Astrid Landmark hatte niemanden mehr, mit dem sie den Fall diskutieren konnte. Bei ihrem Mann Helge waren die Geräte abgeschaltet worden, und danach hatten sie ihn standesgemäß im Daimler von Memento zur letzten Ruhestätte gefahren, umgeben von Leder und Mahagoni und Nussbaumholz.
    Und die kleine Else Meiner mit den roten Haaren dachte sich ihren Teil.
    Hab ich’s nicht gesagt, brüllte ihr Vater Asbjørn. »Eines Tages geht er zu weit. Jetzt hat der Mistkerl seine Strafe. Das muss er für den Rest seines Lebens mit sich herumschleppen. Ein kleiner Junge. Mir fehlen die Worte. Weißt du, was er jetzt macht, Else? Der gräbt sich ein. Und wird nie gefasst werden.«
    Else sagte nichts dazu. Sie saß in ihrem Zimmer, am Schreibtisch und lackierte sich die Nägel. Ab und zu sah sie aus dem Fenster und hielt Ausschau nach der roten Suzuki, die so oft durch die Rolandsgate zum Haus von Henry Beskow fuhr.
    Aber manche glaubten doch Bjørn Schillingers Version mit der Sabotage. Dass ein Unbekannter die Hunde aus dem Zwinger gelassen hatte. In Bjerkås gab es genug Deppen, das hatten sie alle erfahren müssen, und nicht alle mochten die riesigen Tiere, die abends so gotterbärmlich heulten. Wenn diese Viecher auf Abwege gerieten, könnten sie die Hunde und ihren Besitzer ein für allemal loswerden. Einer, der Schillingers Darstellung glaubte, war Karsten Sundelin.
    Eines Tages kamen die beiden ins Gespräch.
    Sie begegneten sich an der Tankstelle in Bjerkås, ein zufälliges, unerwartetes Zusammentreffen. Sie verstanden sich auf Anhieb miteinander, denn beide waren verbittert und von dem Bedürfnis getrieben zurückzuschlagen.
    »Es ist verdammt noch mal nicht zu glauben, dass jemand so etwas anstellen kann«, sagte Schillinger. »So lange macht er das schon, und sie kriegen ihn einfach nicht. Ich werde alles verlieren.«
    »Meine Frau ist weg«, erzählte Sundelin. »Sie ist mit Margrete zu ihren Eltern gezogen. Ich bin total fertig. Unser Leben ist zerstört, und es gibt nichts, was ich tu n könnte. Was ist mit dir? Hast du einen guten Anwalt?«
    Schillinger füllte den Tank seines Landcruisers, hängte die Zapfpistole mit einem Knall zurück und drehte den Tankdeckel fest.
    »Ja, ich habe einen Anwalt. Aber ob der Staat für Gerechtigkeit sorgen wird, da bin ich mir nicht so sicher. Die müssen sich an zu viele Regeln halten. Zu viel Rücksicht nehmen.«
    Sie schwiegen eine Weile. In der Stille kamen sie sich näher, wurden sich
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