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Eine undankbare Frau

Eine undankbare Frau

Titel: Eine undankbare Frau
Autoren: Karin Fossum
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»Und der Besitzer schwört, dass er immer sorgfältig abschließt. Und wenn wir so einen Verrückten haben, dann ist es doch kein Wunder, dass alle ihn für den Schuldigen halten. Da muss er sich mit abfinden. Nach diesen wochenlangen Schikanen.«
    Er schlug mit der Hand auf das Gelkissen.
    »Der wird viele schlaflose Nächte haben. Ob er schuldig ist oder nicht. Denn das hier kann fahrlässige Tötung sein. Sie suchen jetzt nach Spuren. Oh, meine Güte, der wird dafür bezahlen!«
    »Aber«, sagte Johnny kleinlaut, »der Typ, der die Leute anruft und Anzeigen aufgibt, der spielt doch nur. Das ist doch nur ein harmloser Spaß.«
    »Harmloser Spaß?« regte Henry sich auf. »Hast du von dem kleinen Mädchen gehört, das mit ihren zwei Angorakaninchen auf der Kleintier-Ausstellung war? Ihr Foto war danach in der Zeitung. Zwei Tage später hatte jemand an ihre Tür ein Stoffkaninchen gekreuzigt. Hältst du das etwa für einen Spaß?«
    Johnny faltete die Zeitung zusammen, legte sie mit der Vorderseite nach unten auf den Tisch. Blieb reglos und mit hängenden Armen sitzen.
    »Diesem Schillinger kommt so ein Sündenbock doch wie gerufen«, murmelte er.
    Henry machte eine gereizte Handbewegung.
    »Ja, willst du diesen Trottel jetzt sogar noch verteidigen, oder was? Du weißt doch, was er getrieben hat. Ich habe da so oft drüber nachgedacht, eines Tages geht er zu weit, und dann wird er es ausbaden müssen. Dann ist es nicht mehr witzig. Aber du bist ein lieber Junge, Johnny, und hast keine Ahnung von solchen Arschlöchern.«
    Dazu sagte Johnny gar nichts.
    »Hast du den ganzen Artikel gelesen?«, fragte Henry. »Das mit dem Jungen ist grauenhaft. Der eine Arm war weg, den haben sie im Wald gefunden, mehrere Meter von der Leiche entfernt. Denk doch mal an seine Eltern. Ich meine, denk mal an die!«
    Ihm kamen die Tränen und er musste sich die Augen abwischen.
    »Als ich klein war«, fuhr er dann fort, »wohnten wir in der Nähe einer Nerzfarm. Wir sind oft dorthin gegangen, wir waren eine Bande von Jungs, und haben durch die Gitterstäbe geschaut. Ich kann dir sagen, die haben vielleicht gestunken, das war meilenweit zu riechen. Die Nachbarn waren also nicht gerade begeistert, das kann ich dir sagen. Um ganz ehrlich zu sein, Johnny. Denn wir zwei sind doch immer ehrlich zueinander, oder nicht? Zweimal haben wir sie alle freigelassen. Nur zum Spaß. Denn wir hatten ja eigentlich nichts gegen die Pelztierindustrie, soweit ging unser Denken gar nicht. Wenn die Frauen Pelze tragen wollten, dann war uns das doch egal. Aber es war so witzig zu sehen, wie sie in alle Richtungen davon schossen. Dann aber errichteten sie einen Elektrozaun und der Spaß hatte ein Ende. Aber du weißt, was ich damit sagen will. Jungen machen so einen Quatsch.«
    Er räusperte sich und redete dann weiter.
    »Wenn ich in den Laden gehe und Erdbeeren kaufe … «
    Er unterbrach sich und fing noch einmal an.
    »Naja, ich gehe ja nicht mehr einkaufen. Aber früher, als meine Beine noch funktioniert haben. Da bin ich manchmal in den Laden gegangen, um Erdbeeren zu kaufen. Und in einigen der Körbe lag mal eine schlechte Beere. Dann dachte ich sofort, der ganze Korb sei verdorben, verstehst du? Denn so sind wir Menschen eben. Nein«, fügte er hinzu, »das ist vielleicht kein so guter Vergleich. Aber du verstehst schon, was ich meine. Du bist ein bisschen blass um den Schnabel, Junge. Geh zum Kühlschrank und hol dir eine Cola.«
    Johnny stand auf. Ging wie betäubt in die Küche. Nahm sich eine Flasche Cola. Öffnete sie. Blieb über der Spüle gebeugt stehen und trank.
    »Dieser Dreckskerl müsste in der ganzen Gegend von Tür zu Tür gejagt werden«, rief Henry Beskow. »Vor jeder Schwelle niederknien und um Verzeihung bitten. Was sagst du dazu, Johnny?«
    Johnny hielt sich an der Spüle fest. Die Küche schien sich um ihn zu drehen und er glaubte, in einen so tiefen und schwarzen Abgrund zu starren, dass ihm ganz schwindlig wurde. »Johnny«, rief Henry aus dem Wohnzimmer. »Findest du nicht auch, dass er vor allen Türschwellen niederknien sollte?«
    »Dazu ist es jetzt zu spät«, murmelte Johnny. »Jetzt denken die Leute sowieso, was sie wollen. Und man kann auch nicht für alles um Verzeihung bitten.«
    G unilla Mørk glaubte Schillinger und seinem Gerede von Sabotage kein Wort. Ihr gefiel sein verbitterter Gesichtsausdruck nicht, sie fand, dass er viel zu feindselig und aggressiv auftrat und es ihm in Anbetracht der entsetzlichen Ereignisse an
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