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Eine undankbare Frau

Eine undankbare Frau

Titel: Eine undankbare Frau
Autoren: Karin Fossum
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einig um etwas, das nicht laut gesagt werden konnte. Aber beide wussten, worauf ihr gegenseitiges Verständnis beruhte.
    »Wollen wir mal ein Bier trinken gehen?«, fragte Schillinger.
    »Ja, verdammt«, sagte Sundelin. »Das machen wir.«
    In den folgenden Tagen und Wochen wurden die beiden immer häufiger zusammen gesehen. Eifrig ins Gespräch vertieft, in der hintersten Ecke einer Kneipe.
    Tiefe, gedämpfte Stimmen.
    Die Köpfe dicht zusammengesteckt.
    U nd dann hatte es ein Ende mit den falschen Anzeigen und den hinterhältigen Anrufen.
    Einige sahen darin ein Schuldbekenntnis, der Quälgeist hatte sich voller Scham zurückgezogen. Andere meinten, ihm sei sein makaberes Spiel nur langweilig geworden und er habe sich das, was dem kleinen Theo Bosch passiert sei, keineswegs zu Herzen genommen.
    Aber wie hätten sie ihn auch fassen können? Er schikanierte seine Opfer aus der Ferne und hinterließ keine Spuren, keine Fingerabdrücke, keine technischen Beweise, nur Angst und Entsetzen.
    Eines Tages, es war Mitte September, fuhren Sejer und Skarre nach Bjørnstad, nachdem ihnen ein verdächtiger Todesfall gemeldet worden war.
    Ein Streifenwagen war ihnen zuvorgekommen. Er stand an einem Zaun am Ende der Rolandsgate und die Türen waren offen. Zwei Techniker hatten bereits vor dem Haus mit Untersuchungen begonnen.
    »Schön ist es nicht«, sagte der eine. »Wir dachten zuerst, jemand hätte ihn mit einem Baseballschläger überfallen. Aber drinnen ist alles ordentlich, keine Anzeichen für einen Überfall oder Gewaltanwendung.«
    Sejer und Skarre gingen ins Haus. Sie registrierten im Vorbeigehen den Namen an der Klingel. Henry Beskow. Als Sejer den Namen las, drehte Sejer sich um und sah hinüber zum Haus der Meiners, das ein Stück weiter die Straße hinunter stand. Das Haus war zuerst hier, hatte Meiner gesagt. Und darum hatte es Bleiberecht.
    Sie gingen durch einen Flur in die Küche. Auf einem Stuhl saß eine kleine dunkelhäutige Frau. Sie hatte sich in einen Schal gewickelt, als ob ihr kalt wäre, aber in Henry Beskows Haus war es überhaupt nicht kalt. Dort herrschte eher die Art von drückender Wärme, wie man sie oft bei alten Menschen findet. Die Frau stellte sich als Mai Sinok vor. Sie zeigte mit einer zitternden Hand ins Wohnzimmer. Der alte Mann saß im Sessel und hatte einen Fuß auf einem Schemel liegen. Der andere Fuß stand auf dem Boden und der Oberkörper hing über der Armlehne. Vielleicht hatte er versucht aufzustehen oder zu fliehen, aber seine Kräfte hatten nicht ausgereicht. Sein Mund war blutverschmiert, auch auf Brust und Boden war Blut getropft. Er trug eine alte grüne Strickjacke. Die Hose, die zu groß war, vermutlich, weil er abgenommen hatte, wurde von einem schmalen Gürtel festgehalten, in den jemand ein zusätzliches Loch gebohrt hatte. Ein Techniker stellte eine Schachtel mit Latexhandschuhen weg, beugte sich über den alten Mann und öffnete vorsichtig mit zwei Fingern dessen Mund.
    Das Gebiss war unversehrt.
    »Ich glaube, er hat sich erbrochen«, sagte er.
    »Was?«, fragte Skarre.
    »Ich glaube, er hat Blut gespuckt.« Mai Sinok kam herein. Sie blieb ein Stück von ihnen entfernt stehen.
    »Vor zwei Tagen hat er Nasenbluten bekommen«, erzählte sie. »Aber er wollte deswegen keinen Arzt kommen lassen. Wegen ein bisschen Nasenbluten. Er wollte eigentlich nie einen Arzt, Henry war stur wie ein Esel. Er meinte, dass ist der Lauf der Natur. Aber dann fing auch sein Zahnfleisch an zu bluten und das fand ich ein bisschen ekelig. Darf ich jetzt gehen«, bat sie.
    Sie trat vor Sejer hin und legte ihm die Hand auf den Arm.
    »Bitte, darf ich jetzt gehen. Ich bin schon so lange hier und mir geht es nicht gut. Ich möchte nach Hause und mich ein wenig hinlegen.«
    Sejer ging in die Küche. Er nahm ein Glas aus dem Schrank, füllte es mit kaltem Wasser aus dem Hahn und gab es ihr zu trinken. Sie nahm das Glas mit beiden Händen, trank und vergoss dabei Wasser. Wie ein kleines Kind.
    »Wer besucht dieses Haus?«, fragte Sejer. »Abgesehen von Ihnen?«
    »Eigentlich niemand«, sagte sie. »Nur sein Enkel. Aber der ist oft hier.«
    »Ach so? Dann müssen wir ihm Bescheid sagen. Wo wohnt er denn?«, fragte Sejer.
    »In Askeland«, antwortete Mai. »Er wohnt bei seiner Mutter.«
    »Wie lange kümmern Sie sich schon um Beskow?«
    »Seit einem Jahr. Ich komme jeden Tag her. Er ist ein feiner alter Mann.«
    Sie nahm noch einen Schluck von dem kalten Wasser.
    »Die beste Betreuung, die hat Henry
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