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Eine Sünde zuviel

Eine Sünde zuviel

Titel: Eine Sünde zuviel
Autoren: Heinz G. Konsalik
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hatten, die Schecks, als sie aus der Tasche fielen, an sich genommen und dann vergessen …«
    »Möglich. Auch Uniformträger sind nur Menschen.« Der dicke Faber lachte über diesen faden Aphorismus. »Ich werde mal den Kollegen vom Außendienst fragen und nachforschen lassen, wer die Knaben an diesem Tage waren.«
    »Danke, Herr Kommissar –«
    Dahlmann wandte sich ab und ging. Aber an der Tür, wie bei Dr. Kutscher, wurde er wieder von einem Zuruf festgehalten. Der dicke Faber klopfte dabei ein Ei auf und sah Dahlmann gar nicht an.
    »Es wird Sie vielleicht interessieren … wir werden morgen zu einer Neuauflage des Arbeitsdienstes – wir legen ein Moor trocken …«
    Durch Dahlmann zog eine glühende Welle. Es war Angst, unerträgliche, das Hirn wegtrocknende Angst.
    »Moor –«, sagte er heiser.
    »Ja.« Der dicke Faber roch an dem aufgeklopften Ei. Eier mit einem Fischgeschmack mochte er nicht, und ab und zu war eins dabei; dann hatte man die Hühner mit Fischmehl gefüttert. »Da ist ein versoffenes Loch in dem Nest Hetzwege. Onno Lütje heißt er. Der hat in der Nacht zwei riesige Teufelsaugen im Moor gesehen. Sagen Sie selbst … gibt es Teufel?! Ich ahne, daß es Scheinwerfer waren, von einem Auto. Was aber macht ein Auto nachts mitten im Moor?« Faber seufzte laut. »Wir müssen es auf uns nehmen, das Moorstück mit Stangen abzusuchen oder gar trockenzulegen. Eine schöne Sauarbeit –«
    Dahlmann nickte. Die Kehle war ihm zugeschnürt, der Gaumen brannte, als habe er Pfeffer gegessen. Angst … flammende Angst …
    Auf der Straße war es ihm, als starrten ihn alle Leute an. Er ging langsam, kerzengerade, mit einer unwahrscheinlichen inneren Kraft zum Taxi zurück, das er hatte warten lassen. Erst als die Tür hinter ihm zufiel, wich die Haltung, er lehnte sich erschlafft zurück und schloß die Augen.
    Vorbei, dachte er. Nun ist es vorbei. Nun bleibt mir nicht einmal mehr ein Tag. Jetzt muß die Entscheidung fallen. Jetzt, in wenigen Minuten.
    »Zur Mohren-Apotheke –«, sagte er müde, nachdem sich der Fahrer dreimal fragend geräuspert hatte. »In der –«
    »Kenn' ich, die Apotheke –«
    Dahlmann nickte. Der Wagen ruckte an, fädelte sich in den Verkehr ein. Dahlmann sah auf die Uhr.
    Jetzt haben sie im Krankenhaus längst gemerkt, daß der Patient mit den Rippenbrüchen fehlt. Der Stationsarzt ist in heller Aufregung, der Chefarzt tobt. Sie werden zu Hause angerufen haben. Wäre alles wie nach Plan gegangen, säße er jetzt schon in dem Zug nach Zürich, und mit dem Vorbeifliegen der Landschaft wäre auch seine Vergangenheit verflogen. Mit jedem Meter hätte er sich aus der Gegenwart entfernt und wäre der Zukunft entgegengebraust.
    Es bleibt mir jetzt keine Zeit, dachte er immer wieder. Ich muß jetzt um die Minuten rennen.
    Es fehlt nur eine kleine Unterschrift …
    *
    Luise Dahlmann erwartete ihren Mann in der Blumenecke des Wohnzimmers. Sie hatte ein dickes Buch mit Blindenschrift vor sich liegen und tastete die Punkte ab. Als die Tür des Zimmers leise klappte, hob sie den Kopf und lauschte.
    »Ist da jemand?« fragte sie.
    Dahlmann lehnte sich an die Wand. Seine Rippen stachen; er mußte durch den Lauf über die Treppen und die innere Erregung schneller atmen, und jeder Atemzug war wie das Eintreiben eines Nagels in seinen Brustkorb.
    »Wer ist denn da?« fragte Luise noch einmal, obwohl sie wußte, wer im Zimmer stand.
    »Ich … Luiserl …«, sagte Dahlmann heiser.
    »Ernst?« Luises Kopf hob sich wie in stolzer Abwehr. »Was willst du hier? Du mußt doch noch im Krankenhaus liegen, denke ich?!«
    »Freust du dich gar nicht, daß ich gekommen bin?« Dahlmann kam langsam näher. Er schwamm wieder auf der weichen Welle. Er beherrschte sie vorzüglich. Wenn er mit halber, zärtlicher und etwas sonorer Stimme sprach, gab es kein Mädchen- und Frauenherz, das nicht in diesem Wohlklang aufblühte.
    »Ich habe es im Krankenhaus einfach nicht ausgehalten, Luiserl. Du weißt, ich kann nicht im Bett liegen, solange ich noch herumkrabbeln kann.« Er stockte und gab seiner Stimme einen tieftraurigen Klang. »Und außerdem hast du mich nie besucht … ich konnte es einfach nicht mehr ertragen ohne dich –«
    Luise schwieg. Dahlmanns Heuchelei widerte sie an. Sie lauschte angestrengt ins Zimmer, ob er noch näher kommen würde. Sie spürte eine unbestimmbare Gefahr … ein Gefühl, das sie so stark noch nie gehabt hatte, wenn ihr Mann im Raum war.
    Nebenan ist das Hausmädchen, dachte sie. In einer
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