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Eine Sünde zuviel

Eine Sünde zuviel

Titel: Eine Sünde zuviel
Autoren: Heinz G. Konsalik
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spielen, die Füße in den leise plätschernden Wellen, neben sich eine schicke Puppe, die die langen Abendstunden versüßt … es war das Leben eines stillen Genießers, das dolce far niente des Südens.
    Dann aber hieß es, klüger als klug zu sein. Sechzigtausend Mark klingen viel … in Wahrheit sind sie eine lächerliche Summe, wenn man mit ihr ein neues Leben aufbauen will. Man muß sie so anlegen, daß sie ein Fundament bilden, auf dem das neue Haus entsteht.
    Ernst Dahlmann hatte in den letzten Monaten viel darüber nachgedacht und Pläne entwickelt und wieder verworfen. Alle Überlegungen endeten schließlich wieder bei der gutbürgerlichen Feststellung, daß Dahlmann ein Apotheker war und es auch bleiben würde. Pharmazie hatte er studiert … darüber hinaus war er in Wirklichkeit ein hilfloser und unpraktischer Mensch, der keinen inneren Elan besaß, mit einer Handvoll Geld berufsfremde Dinge anzufassen, zu spekulieren, sich hochzuboxen, sein brachliegendes Leben zu kolonisieren, ein Pionier in einem Neuland zu sein. Das lag ihm nicht … er suchte keinen Kampf, er sehnte sich nach Ruhe und Sicherheit. Er war im Grunde seines Herzens ein bequemer Mensch, auch wenn er nach außen hin eine vitale Fassade vorwies und den Eindruck eines Strebenden erweckte. Seine große Sehnsucht war Unabhängigkeit und gesicherte Ruhe, ein Leben ohne Sorgen und Mühen, ein Müßiggehen in bescheidenem Rahmen, ein Beobachten von Mensch und Umwelt aus dem gemütlichen Winkel eines Pensionärs heraus.
    Was sind da sechzigtausend Mark?
    Ernst Dahlmann hatte keine andere Wahl erkannt … irgendwo auf der Welt, wo man sicher war, vielleicht in Südamerika, konnte er sich an einer Apotheke oder Drogerie beteiligen, vielleicht auch an einer Art Drugstore, wie die Amerikaner ihn kennen, ein kleines Kaufhaus in einer kleinen Stadt, ein Allroundgeschäft mit drei hübschen Verkäuferinnen und einem Kassierer. Am Abend würde man dann die Tageskasse zählen, einen Whisky trinken, vor dem Fernsehgerät sitzen und sich mit seiner Geliebten unterhalten.
    Das war der einzige Luxus, den sich Dahlmann gönnen wollte. Ein Leben ohne Frauen schien ihm völlig unlebenswert. Frauen betrachtete er als eine unbedingte Notwendigkeit wie Essen und Trinken. Es war undenkbar, daß ein Mensch wie Ernst Dahlmann seine Tage ohne ein weibliches Wesen verbringen konnte. Das schien ihm die Krönung allen Lebens zu sein, der Gipfel des Erreichbaren, was das Dasein bieten konnte. Eine Frau, die in seinen Armen willenlos wurde. Ein Rausch, der ihm das Herz fast zerriß.
    »Wir sind da, mein Herr.«
    Dahlmann schreckte hoch. Das Taxi hielt vor dem Portal der Bank, der Fahrer kurbelte am Fahrpreiszähler.
    »Fünf Mark fünfundsiebzig«, sagte er.
    Dahlmann gab ihm sieben Mark und stieg aus.
    Jeder Schritt ist jetzt Freiheit, dachte er beglückt.
    Die fünf Stufen hinauf zur Schalterhalle, ein wenig warten, die fünf Stufen hinunter wieder auf die Straße … dann war es geschafft. Adieu, du mieses Leben als Schatten einer reichen Frau … Adieu, ihr zweiundvierzig Jahre, in denen ich nie richtig glücklich war, sondern immer nur ein Mensch voller Komplexe und Minderwertigkeitsgefühle … Adieu, ihr Erinnerungen … ich will sie aus dem Gedächtnis streichen, ich will ein reines Hirn haben, bereit, die neuen Eindrücke des Lebens zu speichern.
    In der Schalterhalle herrschte an diesem Morgen wenig Publikumsverkehr. Dahlmann setzte sich an einen der kleinen Tische mit den Formularkästen, nahm seinen silbernen Kugelschreiber aus der Innentasche des Jacketts, klappte die Brieftasche auf und empfand einen unbeschreiblichen Vorgenuß bei dem Gedanken, gleich schreiben zu können: 60.000 DM, in Worten: Sechzigtausend Deutsche Mark. Empfänger: Ernst Dahlmann, Hannover.
    Dahlmann stutzte. Die wenigen Schreiben und Kontoauszüge waren noch in der Brieftasche, aber die Schecks fehlten.
    Er schüttelte den Kopf, blätterte die Auszüge durch, sah in den Seitenfächern der Brieftasche nach … nichts.
    Über das Gesicht Dahlmanns rann plötzlich kalter Schweiß. Er fühlte ihn, aber er war zu gelähmt, um ihn abzuwischen. Noch einmal durchsuchte er mit zitternden Fingern die Brieftasche, obwohl er wußte, daß das Ergebnis nicht anders sein konnte.
    Die Blankoschecks waren nicht mehr da. Sein neues Leben, aus einem einzigen, kleinen Formular in der Größe von DIN A 6 bestehend, war verschwunden. Mallorca gab es nicht mehr, kein Südamerika, keinen Drugstore, keine
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