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Eine Spur von Verrat

Eine Spur von Verrat

Titel: Eine Spur von Verrat
Autoren: Anne Perry
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gehört.«
    »Warum? Sind neue Probleme aufgetaucht?« Hester sah sofort, daß etwas geschehen sein mußte. Edith wirkte noch angespannter als bei ihrem letzten Treffen. Ihr Körper war verkrampft, ihre Bewegungen ruckartig und unbeholfener als sonst, obwohl sie selbst in ihren Sternstunden keinen allzu anmutigen Anblick bot. Das Auffälligste waren allerdings ihre offenkundige Erschöpfung und das völlige Fehlen ihres gewohnten Humors.
    Edith schloß kurz die Augen und riß sie dann weit auf.
    »Die Umstände von Thaddeus’ Tod sind wesentlich schlimmer, als wir zunächst geglaubt haben«, erklärte sie leise.
    »Wirklich?« Hester war verwirrt. Was konnte schlimmer sein als der Tod?
    »Du verstehst nicht – aber wie solltest du auch. Ich habe mich nicht klar genug ausgedrückt.« Edith holte tief Luft. »Sie sagen, es war gar kein Unfall.«
    »Sie?« fragte Hester verblüfft. »Wer behauptet so etwas?«
    »Die Polizei, wer sonst.« Edith blinzelte, das Gesicht aschfahl. »Sie sagen, Thaddeus wurde ermordet!«
    Hester war einen Moment lang wie betäubt, so als ob der luxuriös eingerichtete Raum plötzlich in weite Ferne gerückt und ihr Sehfeld an den Rändern in Nebel gehüllt wäre. Ediths Gesicht prangte scharf umrissen im Zentrum und prägte sich ihr unauslöschlich ein.
    »Großer Gott, das ist ja furchtbar! Haben sie einen Verdacht, wer es war?«
    »Genau das ist der Punkt«, bekannte Edith. Sie löste sich aus ihrer Erstarrung und ließ sich auf einem verschwenderisch gepolsterten, rosafarbenen Sofa nieder.
    Hester setzte sich ihr gegenüber in einen Sessel.
    »Es waren nur wenige Personen anwesend, und einen Einbrecher gab es nicht«, fuhr Edith fort. »Es muß einer von ihnen gewesen sein. Abgesehen von Mr. und Mrs. Furnival, den Gastgebern, waren die einzigen, die nicht zur Familie gehören, Dr. Hargrave und seine Frau.« Sie schluckte heftig und versuchte ein Lächeln; es wirkte grauenhaft verzerrt.
    »Ansonsten waren nur Thaddeus und Alexandra dort, ihre Tochter Sabella mit ihrem Mann Fenton Pole, meine Schwester Damaris und mein Schwager Peverell Erskine. Sonst niemand.«
    »Was ist mit den Dienstboten?« warf Hester mutlos ein. »Es steht wohl außer Frage, daß einer von ihnen in Betracht kommt?«
    »Mit welchem Motiv? Weshalb sollte einer von den Dienstboten Thaddeus umbringen?«
    Hesters Gedanken überschlugen sich. »Weil er den Betreffenden beim Stehlen erwischt hat vielleicht?«
    »Beim Stehlen wovon – auf der Galerie im ersten Stock? Er fiel schließlich dort über das Geländer. Von den Kammerzofen einmal abgesehen, halten sich die Dienstboten zu dieser Zeit am Abend gewöhnlich unten auf.«
    »Schmuck?«
    »Woher hätte er von dem Diebstahl wissen sollen? Wenn es in einem der Schlafzimmer geschehen ist, konnte er es nicht wissen. Und selbst wenn er sie hätte herauskommen sehen, hätte er lediglich angenommen, daß sie ihrer Arbeit nachgingen.«
    Das war absolut logisch und ließ nicht den geringsten Einwand zu. Hester zerbrach sich vergeblich den Kopf nach einer beruhigenden Bemerkung.
    »Wie steht’s mit dem Arzt?« meinte sie schließlich.
    Edith gab ihr mit einem kläglichen Lächeln zu verstehen, daß sie ihre Bemühungen zu schätzen wußte.
    »Dr. Hargrave? Ich weiß nicht, ob er in Frage kommt. Damaris hat mir die Ereignisse jenes Abends geschildert, aber sie machte keinen besonders klaren Eindruck. Offen gesagt war sie sogar ziemlich daneben und redete recht unzusammenhängendes Zeug.«
    »Schön, also wo hat sich jeder einzelne aufgehalten?« Hester war bereits in zwei Mordfälle verwickelt gewesen; in den ersten im Zusammenhang mit dem Tod ihrer Eltern, in den zweiten aufgrund ihrer Bekanntschaft mit dem Polizisten William Monk. Mittlerweile stellte er private Nachforschungen für Leute an, die auf der Suche nach Familienangehörigen waren, diskret einen Diebstahl aufgeklärt haben wollten oder andere persönliche Anliegen hatten, um deretwillen sie entweder nicht das Gesetz bemühen wollten, oder bei denen kein offenkundiges Verbrechen vorlag. Wenn sie jetzt ihre Intelligenz benutzte und ein wenig logisches Denkvermögen walten ließ, müßte sie eigentlich etwas Hilfreiches zutage fördern können.
    »Da man zunächst von einem Unfall ausging«, sagte sie laut, »muß er zwangsläufig allein gewesen sein. Wo befanden sich die andern zum fraglichen Zeitpunkt? Auf einer Dinnerparty wandeln die Gäste normalerweise nicht einzeln im Haus herum.«
    »Das ist es ja gerade«,
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