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Eine schnelle Novelle

Eine schnelle Novelle

Titel: Eine schnelle Novelle
Autoren: Paula Fabian
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unweiblich«, pflegte Henry immer mit einem Stirnrunzeln festzustellen, aber wenn er unter Weiblichkeit eine seiner DBs verstand, würden wir in der Beziehung nie auf einen gemeinsamen Nenner kommen. Natürlich konnte Jan nicht wissen, dass er gerade auf meinem persönlichen Heiligtum herumtrampelte, aber trotzdem musterte ich ihn feindselig.
    »Ähm, ich dachte ja nur«, stotterte er.
    »Schon gut«, erwiderte ich scharf, »es braucht eben eine Weile, bis du hier die Regeln kennst.«
    »Lisa! So doch nicht, sei ein bisschen freundlicher!« wies Zwo mich zurecht.
    Aber Oberschwester Hildegard! verteidigte ich mich.
    »Nun lass mal deine blöde Schwester! Schlag ihm lieber vor, ihm das am Samstag in Ruhe bei einem Glas Wein zu erklären, das ist doch die beste Gelegenheit!«
    Ich spürte, wie Zwo versuchte, die Führung zu übernehmen, aber diesmal war ich darauf vorbereitet. »Oberschwester Hildegard ist perfekt, wie sie ist«, sagte ich laut und deutlich. Keine Chance, Zwo! Und Jan hatte es sich soeben mit mir versaut, das stand mal fest.
    Dienstag war Valerie–Tag. An diesem Tag wurden allen Szenen gedreht, in denen der weibliche Star der Serie, Valerie von Ehrenbach, vorkam. Eigentlich hieß Valerie Heidi Müller, was meiner Meinung nach auch viel besser zu ihr passte. Als die Serie startete, hatte sie das Glück, gerade mit Henry liiert zu sein, und so bekam sie prompt eine Hauptrolle.
    Sie spielte eine Art Dauerpatientin, die trotz eines schwerwiegenden chronischen Leidens, dessen Ursprung nicht zu ermitteln war, in jeder Folge versuchte, Dr. Narkose rumzukriegen. Äußerlich unterschied sich die blondgelockte Heidi nicht wesentlich von Henrys anderen DBs – bis auf ihre Oberweite. Gegen Heidis Granatenmaße wirkten ihre Nachfolgerinnen geradezu flachbrüstig. Darauf war Heidi auch mächtig stolz; wenn sie sich ans Set bequemte, stöckelte sie stets mit rausgestreckter Brust vor der Kamera herum und achtete peinlich genau darauf, dass die Beleuchter ihre Vorzüge auch ins rechte Licht rückten.
    Durch Dr. Narkose war Heidi schnell zum Star avanciert, und mittlerweile betrachtete sie die Serie nur noch als lästige Nebenbeschäftigung. Lieber eilte sie von Talkshow zu Talkshow und ging mit ihrem arroganten Gefasel wahrscheinlich der gesamten Nation auf den Keks. Sie machte sich noch nicht einmal mehr die Mühe, das gesamte Drehbuch zu lesen, geschweige denn, sich die Serie anzusehen. Sobald ihre Szenen im Kasten waren, flatterte sie ebenso schnell wieder aus dem Studio, wie sie gekommen war. Mir sollte es recht sein, denn länger als einen Tag konnte man diese Frau ohnehin nicht ertragen.
    Schlimmer als Heidi selbst war allerdings das Gesäusel von Henry und Bert, die an Valerie–Tagen permanent um sie herumwuselten, um sie nur ja nicht aus der Stimmung zu bringen. Mehr als einmal war Heidi nämlich einfach abgehauen, wenn ihr etwas nicht passte, und hatte das gesamte Team stehenlassen.
    »Hallöööchen«, kiekste die grelle Stimme unseres Stars durch den Saal. Da war sie – in roter Samtrobe und mit 30 Zentimeter hohen Stöckelschuhen schwebte sie ins Studio. Bert eilte sofort auf sie zu. Ich stand oben auf der Galerie und betrachtete das Geschehen aus sicherem Abstand.
    »Hallo, mein Schatz!« Küsschen, Küsschen.
    »Du siehst heute wieder atemberaubend aus!«
    »Ja wirklich«, pflichtete Henry ihm bei, »du wirst mit jedem Tag schöner!«
    »Ob ich irgendwann auch so von den beiden begrüßt werde?« fragte ich Zwo.
    »Eher unwahrscheinlich«, meinte sie, »es sei denn, du bindest dir einen Sprengsatz mit fünf Kilo Dynamit um den Bauch und drohst, das Studio in die Luft zu jagen, wenn sie nicht lieb zu dir sind.«
    »Kinder, wir wollen anfangen«, rief Bert dem Team zu. Sofort setzte ein geschäftiges Treiben ein, jeder beeilte sich, schnell seinen Platz einzunehmen, damit Madame nicht unnötig warten musste.
    Eine halbe Stunde später fiel die erste Klappe. Valerie tippelte im dunkelblauen Negligé in Dr. Narkoses Sprechzimmer. Der sollte in dieser Szene nur kurz aufblicken und sich dann wieder völlig desinteressiert den Krankenberichten auf seinem Schreibtisch zuwenden.
    »Herr Doktor«, hauchte Valerie mit betont verführerischer Stimme und nahm auf dem Schreibtisch direkt vor seiner Nase Platz. »Ich habe hier«, dabei deutete sie auf ihr großzügig freigelegtes Dekolleté, »so unerklärliche Schmerzen in der rechten Brust.«
    »Ich sehe mir das später an«, erwiderte Dr. Narkose knapp. Valerie
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