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Eine schnelle Novelle

Eine schnelle Novelle

Titel: Eine schnelle Novelle
Autoren: Paula Fabian
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Professionalität half mir.
    »Nein, keine Männergeschichten. Meine Blumen sind mir lieber. Sie hintergehen mich nicht und sind … berechenbar.« Tante Hilde schnalzte bedauernd mit der Zunge. »Trotzdem ist es ein Jammer, dass du keinen Freund hast. Bei deinem Aussehen müssten die Männer doch Schlange stehen!« Kopfschüttelnd goss sie mir fürsorglich Tee nach und erkundigte sich nach meinen weiteren Plänen. »Ich weiß, es ist ein bisschen früh nach Margarethes Tod«, sagte sie entschuldigend, »aber auch wenn es grässlich platt klingt: Das Leben geht weiter. Und du solltest heraus aus diesem Mausoleum.« Missbilligend ließ sie ihren Blick über die makellose Einrichtung schweifen, die jedem Möbelhaus zur Ehre gereicht hätte. »Ich wette, du hast nie im Wohnzimmer spielen dürfen.«
    Ihre unschuldige Bemerkung machte mir schlagartig klar, dass ich tatsächlich frei war, zu tun, wovon ich stets nur geträumt hatte. Jetzt konnte ich Monikas Angebot annehmen! Ich hatte gerade den Bestatter hinausbegleitet, mit dem ich die Einzelheiten der Beerdigung besprechen musste, als ihr Anruf mich aus meiner Lethargie riss.
    »Ich weiß, dass manche Menschen mich für pietätlos halten, aber was du brauchst, ist ein Tapetenwechsel.« Sie hatte mit Alfons gesprochen, und er war einverstanden. Ihr Vorschlag, meine Stelle bei der Bank aufzugeben und in ihrer Gärtnerei Blütenzauber als Prokuristin einzusteigen, war mit einem Mal kein Luftschloss mehr, sondern Realität.
    Allerdings müsste ich dafür nicht nur die Stelle wechseln, sondern auch umziehen. »Was soll dann mit dem Haus geschehen?« Ich fühlte mich, ausgebrannt wie ich war, nicht imstande, weitreichende Entscheidungen zu treffen.
    »Du kannst doch nicht in dieser blöden Bank versauern bis in alle Ewigkeit«, redete sie mir zu.
    Sie hatte sicher Recht, aber ich zögerte, unsicher wegen der ungewohnten Freiheit. Mir fehlte ganz einfach die Entschlusskraft.
    Tante Hildes Feststellung, die Monikas Einschätzung so ähnlich war, ermutigte mich, ihr von diesem Angebot zu erzählen. Ich verschwieg allerdings auch nicht meine Bedenken, leichtsinnig eine gute Stellung aufzugeben.
    »Weißt du was?«, meinte Tante Hilde sehr vernünftig. »Wir warten diesen Termin morgen beim Rechtsanwalt ab. Aber fangen wir doch schon mal an, Margarethes Sachen auszuräumen.«
    Meine anfänglichen Bedenken wischte sie mit der praktischen Einwendung beiseite, dass niemand etwas davon hätte, wenn ich hier alte Kleider hortete, und machte sich tatkräftig an die Arbeit. Beim neuen Wintercape aus dunkelgrauem Kaschmir zögerte Tante Hilde plötzlich, strich beinahe ehrfürchtig über die flaumige Oberfläche und fragte schüchtern: »Meinst du, ich könnte es behalten?«
    Ich erinnerte mich an ihre etwas schäbige Erscheinung auf dem Friedhof und bat sie hastig, alles zu behalten, was ihr gefiele. Wieso hatte ich nicht eher daran gedacht? Tante Hilde dankte mir eine Spur verlegen und machte sich wieder an die Arbeit. Kleiderstange für Kleiderstange, Schublade für Schublade wanderten ordentlich zusammengelegt in die Kleidersäcke vom Roten Kreuz. Mutter hätte ihre unbeirrte Effizienz gefallen. Aber ich merkte, dass ich es nicht ertrug. Es war das Nachthemd mit dem Einsatz aus St. Gallener Spitze, das ich vor einer Woche noch sorgfältig gebügelt hatte, das mich schließlich flüchten ließ. Ich murmelte etwas von »Papiere durchsehen« und stürmte aus dem Zimmer.
    Ein oder zwei Stunden vergingen in stummer Konzentration.
    »Was ist denn das?«
    Das Erstaunen in Tante Hildes Ausruf deutete etwas Unerwartetes an. Ich ließ den Ordner mit den Unterlagen von Mutters Krankenkasse fallen und rannte, zwei Stufen auf einmal nehmend, die schmale Treppe hinauf. Tante Hilde kniete vor Mutters Wäschekommode und tastete nach etwas im hinteren Bereich der untersten Schublade. Triumphierend zog sie einen dicken Umschlag heraus und schwenkte ihn in meine Richtung. »Es scheinen Fotografien zu sein.«
    Ich riss ihr das Päckchen praktisch aus der Hand. Für Verena stand in Mutters gestochener Handschrift darauf. Mit zitternden Händen öffnete ich ihn und zog eine Hand voll Fotos heraus. Auf dem obersten lächelte mich mein Vater an, ein strahlendes Lächeln, das einen animierte zurückzulächeln. Die meisten Bilder zeigten ihn, oft gemeinsam mit Mutter. Auf einigen waren auch meine Großeltern zu sehen, und auf einem stand Giuseppe inmitten seiner sizilianischen Familie: schwarz gekleidete
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