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Eine naechtliche Begegnung

Eine naechtliche Begegnung

Titel: Eine naechtliche Begegnung
Autoren: Meredith Duran
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weiß ich es.«
    »Und wo hast du es gewusst, als du mich verhaften ließest?«
    Katherine wurde bleich und ließ den Kopf sinken.
    Nell wollte ihr diesen Moment nicht einfach machen. Während sie darauf wartete, dass das Mädchen weitersprach oder ging, fragte sie sich, wie sie jemals dieses Gesicht mit ihrem eigenen verwechseln konnte. Sie waren wie aus derselben Form gegossen, aber nicht der gleiche Schmied hatte ihre Züge bearbeitet. Katherines glatte Stirn bedeutete, dass sie nie so finster geblickt hatte wie Nell. Sie hatte keine Falten um die Augen, weil sie nie in die Sonne geblinzelt hatte. Ihr einheitlich dunkles Haar verriet ein vor den Elementen geschütztes Leben.
    Aber als sie den Kopf wieder hob, erkannte Nell etwas wieder: ihren Blick.
    Zum ersten Mal blickte Katherine sie an, wie sie selbst einmal eine Fotografie von Katherine betrachtet hatte. Voll Verwunderung und Erstaunen und mit einer langsam größer werdenden Angst.
    »Vielleicht …« Katherine schluckte schwer. »Vielleicht hatte ich Angst, es zu sehen. Vorher, meine ich. Ich war mir immer so sicher gewesen, dass du dich an mich erinnern würdest. Ich kann dir nicht sagen, wie lange ich für dich gebetet habe. Wie tief ich gefühlt habe, dass …« Sie schüttelte den Kopf. »Ich wusste immer, dass du am Leben bist, und …« Ihre Wimpern zitterten. Zu Nells Erstaunen zeigte sich eine Träne. »Ich war mir sicher, dass du zurückkommen würdest«, sagte sie mit erstickter Stimme. »Ich dachte nur, du würdest wegen mir zurückkommen.«
    Nell war sprachlos – wie gelähmt –, nicht sosehr wegen der Worte des Mädchens, sondern weil plötzlich ein starkes Gefühl in ihr anstieg.
    Mein Gott
, dachte sie.
Nach all dem?
    Nach all dem, also. Sie konnte immer noch hoffen.
    »Ich war töricht, furchtbar dumm«, sagte Katherine schnell. »Und was ich getan habe, … ja, es ist unverzeihlich. Ich kann nur sagen, dass ich vor so vielem Angst hatte, was jetzt sehr … feige aussieht, im Vergleich mit dem, was du durchgemacht hast.«
    Nell schnaubte. »Ich bin keine Heldin«, sagte sie. »Wenn jemand etwas anderes gesagt hat, dann ist es gelogen.« Plötzlich war ihr in den Sinn gekommen, dass Hannah genau wusste, was Katherine getan hatte, dass sie sie vielleicht unten getroffen und ihr offen und laut die Meinung gesagt hatte.
    »Nein«, sagte Katherine. »Er hat sicher nicht gelogen.« Sie nahm noch einen Atemzug. »Nun. Du bist in meinem Haus willkommen. Erwünscht. Immer.« Sie biss sich auf die Lippen. »Natürlich bist du das. Ich wollte sagen, es ist auch dein Zuhause.«
    Dein Zuhause
. Diese beiden einfachen Worte unterdrückten Nells spontanen Impuls, das Angebot geradeheraus abzulehnen.
Auch dein Zuhause
.
    Vor langer Zeit hatten sie und Katherine ein gemeinsames Zuhause gehabt. Ein gemeinsames Kinderzimmer. So vieles geteilt. »Erinnerst du dich an die Puppe?«, fragte Nell – und spürte, wie sie errötete. »Vielleicht bilde ich es mir nur ein. Aber … rote Haare. Blaue Augen. Stupsnase, ein glänzendes Kleid. Ein großer Kragen um den Hals, etwas mit Spitzen – eine Halskrause?«
    Katherines Lippen formten ein O. »Elizabeth … Elizabeth Regina haben wir sie genannt.«
    Nells Kehle war wie zugeschnürt. Elizabeth Regina. »Ja.« Sie rieb sich mit dem Handrücken über die Nase. »Das hört sich richtig an.« Sie hatte diese Puppe geliebt. Schwach, aber deutlich erinnerte sie sich daran, dass sie nicht die Einzige gewesen war, die diese Puppe geliebt hatte. Jemand hatte ihre Liebe geteilt.
    Da war dieses andere Mädchen gewesen, das gemeinsam mit ihr geliebt hatte.
    »Hast du sie noch?«, fragte Nell, sobald ihr die Stimme wieder gehorchte.
    »Ich kann sie suchen«, flüsterte Katherine. »Ich verspreche dir, dass ich sie für dich finde.«
    »Das wäre schön. Und vielleicht … komme ich für eine Zeit zu dir.« Es war nur vernünftig, einen Plan B zu haben, sagte sich Nell. Sie musste ja nicht gleich in die alte Wohnung zurück, wo noch das Blut durch die Dielen tropfte.
    Was sie an etwas erinnerte. »Hast du auch Platz für Suzie bei dir?«
    Katherine runzelte leicht die Stirn. »Die … Lady unten?« Offensichtlich war sie sich unsicher, ob der Begriff Lady wirklich passend war, denn sie verbesserte sich sofort: »Ich meinte, die Frau, die mit …«
    »… meinem Stiefbruder verheiratet war«, ergänzte Nell. »Genau die.«
    »Oh.« Die Silbe klang sehr hoch. Katherine presste die Lippen aufeinander, ihre Brust hob und senkte
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