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Eine naechtliche Begegnung

Eine naechtliche Begegnung

Titel: Eine naechtliche Begegnung
Autoren: Meredith Duran
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er von Hannah für den Löffel bekommen hatte. »Dass Michael ein verdammter Irrer ist? Du hast recht, das ist wirklich nichts Neues!«
    Suzie schlang sich die Arme um die Beine und legte den Kopf auf die Knie. »Es ist nicht nur Michael«, flüsterte sie.
    Nell starrte auf Suzies Kopf, das Haar und den krumm gezogenen Scheitel. Nicht nur Michael? Sie biss die Zähne zusammen und riss einmal heftig am Seil, dann stöhnte sie vor Schmerz. Trotz all ihrer Mühen rieb sie sich nur blutig. »Wer hat noch etwas damit zu tun?« Sie hatte schon eine Ahnung. Wo sonst hatte Michael das Geld für die Droschke her, in die er sie verfrachtet hatte?
    Suzie sah nicht auf, als sie den Kopf schüttelte. »Ich weiß nicht, wie er heißt.« Schaudernd atmete sie ein. »Vornehmer Typ. Groß, dünn …« Keuchend brach sie ab, als im Treppenhaus draußen Schritte zu hören waren.
    Michaels schneidende, zornige Stimme drang durch die Tür. Er war nicht betrunken, leider. Nüchternheit, Größe und Kraft hatten ihm auf der Straße einen Vorteil verschafft. Ein paar Leute hatten protestiert, als er sie herumgestoßen hatte. Brennan war sogar aus dem Laden gekommen – wahrscheinlich das erste Mal seit zehn Jahren. Aber als Michael die Waffe gezogen hatte, hatte kein Einziger gewagt, ihr zu Hilfe zu kommen.
    »… besseres Geschäft als Ihr Angebot«, blaffte Michael draußen im Gang. »Ich sollte vielleicht Rushden fragen, wie viel er für sie zahlen würde.«
    Die Antwort war zu leise, um sie zu verstehen, aber Nell erkannte trotzdem die Stimme. Grimston. Was in Teufels Namen wollte er von ihr? Er war klug genug, um zwei und zwei zusammenzuzählen. Ihm musste klar sein, dass sie Simon verlassen hatte, wenn sie hier in Bethnal Green war. Er sollte dankbar sein. Schließlich hatte er bekommen, was er wollte, ohne einen einzigen Penny auszugeben.
    Die Tür öffnete sich, und Michael trat fluchend ein. Direkt hinter ihm kam Grimston, von Kopf bis Fuß in Schwarz, den Zylinder unter den Arm geklemmt. Er starrte Nell mit einem verdrießlichen Lächeln an – das verschwand, als er Suzie wimmern hörte.
    Auf dem Absatz drehte er sich um. »Was ist das?«, fragte er. »Wer ist diese Frau?«
    Michaels Kiefer zuckte. Er war streitlustig wie ein Maulesel. Grimston hatte einen Fehler gemacht, ihn in diesem schmutzigen Geschäft zum Partner zu wählen. »Das geht Sie nichts an«, sagte er.
    Grimstons Lachen knackte wie trockene Zweige. »Mein Gott, was glauben Sie, was wir hier vorhaben? Und Sie laden Zeugen ein?«
    Nell wurde eiskalt. Zeugen wofür? Was hatten die beiden vor? Suzie starrte zu Grimston hoch. Das tränenverschmierte Gesicht und ihr schlaffer Kiefer verliehen ihr einen sonderbar ehrfürchtigen Ausdruck, als hätte der hochgewachsene Mann in den feinen Kleidern sie all ihrer Sinne beraubt.
    Und als Grimston nun auf sie hinabsah, veränderte sich seine Miene. Für einen Augenblick sah er leicht angeekelt aus, als hätte er etwas Unbekömmliches erblickt, das er sich gerade von den Schuhen geschüttelt hatte. Dann wurde sein Gesicht ruhig. Mit einem kalten Lächeln wandte er sich ab und griff in seine Jacke. »Nun gut«, sagte er. »Sie kann bleiben. Kein Problem.«
    Jedes einzelne Haar an Nells Körper stand zu Berge.
Mein Gott
, dachte sie. Ihr Verstand kämpfte darum, es zu verleugnen, aber ihre Instinkte waren beharrlich: Grimston war nicht nur hier, um sie einzuschüchtern.
    Außer ihm selbst sollte niemand den Raum wieder verlassen.
    »Michael«, sagte Nell. »Michael, schick Suzie weg.«
    Michael sah sie seltsam an. Grimston zwinkerte ihr zu. Sein Lächeln wurde breiter.
    »Schaff sie hier raus«, sagte Nell und riss noch einmal erfolglos an ihren Fesseln, während Michael, der Idiot, beschloss, den Moment zu genießen, und sie angrinste. Seine Lippen bewegten sich schon für eine hämische Bemerkung, als Grimston die Pistole aus der Jacke zog und schoss. Geistesgegenwärtig ließ Nell sich im selben Augenblick zur Seite kippen.
    Ohrenbetäubend erklang die Detonation, hallte nach, übertönte die Welt und alle anderen Geräusche und richtete sich immer lauter in Nells Kopf ein. Da war Blut. Sie sah die sich ausbreitende Lache, aber es war nicht ihres. Sie konnte nicht sagen, von wem es kam, ihre Wange lag flach auf die rauen Dielen gepresst, auf denen Mum gestorben war.
    Man hörte ein Krachen. Dann rollten Michael und Grimston miteinander ringend an ihr vorbei. Michael hatte Grimstons Hand gepackt und hielt die Pistole hoch, dass
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