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Eine naechtliche Begegnung

Eine naechtliche Begegnung

Titel: Eine naechtliche Begegnung
Autoren: Meredith Duran
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weniger.
    Nell verbannte Simons Gesicht aus ihren Gedanken.
    In den dunklen Räumlichkeiten von Brennans Laden fiel dem Eigentümer vor Schreck beinahe die Pfeife aus dem Mund.
    »Du bist zurück!« Brennans feuchte blaue Augen verengten sich, als er die Tasche bemerkte, die Nell umklammert hielt. Dem alten Knacker entging wirklich nichts. Er sah an ihr vorbei in einen der gesprungenen Spiegel, die er überall aufgehängt hatte, um Diebe zu fangen: Er hatte jeden Winkel unter Kontrolle.
    Jetzt nahm er die Pfeife in die Hand und klopfte nachdenklich damit auf die Theke. Asche wirbelte heraus und setzte sich auf Nells dunklem Wollkleid ab. Sie hatte es in der Stunde vor dem Morgengrauen selbst angezogen und geweint, als sie mit den Schnüren des Korsetts und den vielen Knöpfen gekämpft hatte.
    »Hat er dich rausgeschmissen?«, fragte Brennan.
    Mit einem Schwung beförderte sie die Tasche auf die Theke. »Ich habe hier eine ganz schöne Ladung für dich.«
    »Ich habe in der Zeitung darüber gelesen.«
    Ihre Hände lagen für einen Moment still auf der Verschnürung der Tasche. In seiner Stimme hörte sie den üblichen, starken irischen Akzent, aber keine Schadenfreude über ihre verdiente Strafe. »Wirklich?«
    »Aber klar, wer hat das nicht?« Er steckte sich die Pfeife wieder in den Mund und blinzelte, als der Rauch sich um seinen Kopf kringelte. »Bist du allein gekommen? Pass lieber auf, Nellie. Gab zu viel Gerede, als dass du hier nach Lust und Laune herumlatschen könntest.«
    Sie nickte einmal mit vorgeschobenem Kinn. Das war eine Warnung, aber die brauchte sie gar nicht. Sie wusste, was es bedeutete, wenn die Leute sie nicht grüßten.
    Der Knoten, der die Tasche zuhielt, widerstand ihren Fingern. »Das sollte einen guten Preis bringen«, sagte sie. Die Worte kamen ihr gekünstelt vor. Sie hörte sich weitersprechen. »Alle nur ein- oder zweimal getragen. Glaub also nicht, dass du mich reinlegen kannst, alter Mann.«
    »Würde ich doch nie«, sagte er, viel zu freundlich, ohne das Geschwätz, das er normalerweise bei einer solchen Fracht an den Tag legte. Er lehnte sich auf einen knochigen Ellbogen und senkte die Stimme: »Was ist passiert, Nellie? Ich dachte, wir würden dich hier nie wieder zu Gesicht kriegen. Du bist doch dieses Mädchen, oder?«
    Ihre Hände wurden still. Sie sah auf in sein so vertrautes Gesicht – plötzlich vertrauter als ihr eigenes im Glas hinter ihm. Schwindel ergriff sie, das Gefühl, in der eigenen Haut nicht mehr zu Hause zu sein. Das blasse Mädchen mit den Ringen unter den Augen: Wer war sie jetzt? Nicht Cornelia. Aber auch nicht die Nell, die sie vorher gewesen war. Sie hatte sich verändert. Selbst ihre Lungen waren andere. Der Rauch aus Brennans Pfeife war ihr unerträglich, dicht und giftig. Eine Minute länger in diesem Laden und sie würde sich über ihrer eigenen Ware übergeben.
    Sie schüttelte den Kopf und schob ihm die Tasche hin. »Ich vertraue dir«, sagte sie rasch. »Und ich habe jeden einzelnen Stich gezählt. Schick eine Nachricht mit einem Angebot zu den Crowleys, ja? Ich komme dann und lasse dich wissen, was ich davon halte.«
    »Komm nicht allein«, sagte er leise. »Bring Garod Crowley mit, hörst du?«
    Sie starrte ihn an. »Ja«, sagte sie. »Ja, mache ich.«
    Draußen auf der Straße wurden die Wolken dünner. Die Sonne war deutlicher zu sehen, und Nells Augen brannten. Sie stolperte auf dem Pflaster und lief direkt in jemanden hinein. Eine Entschuldigung murmelnd ging sie weiter – und wurde gepackt und zurückgerissen.
    Sie blinzelte.
    »Dich habe ich gesucht«, sagte Michael mit einem breiten Grinsen.

18
    Nell testete noch einmal die Fesseln, bewegte die Finger und versuchte, das Gefühl darin wiederzuerlangen. »Hol einfach ein Messer«, flehte sie. »Bitte, Suzie.«
    Auf der anderen Seite des Zimmers kauerte Suzie, die Knie an die Brust gezogen, an der Wand. Mit leeren Augen starrte sie Nell an, als würde sie Sprache nicht länger verstehen. Suzie war böse zusammengeschlagen worden und zitterte wie Espenlaub. »Du hättest nicht zurückkommen dürfen«, sagte sie mit kaum hörbarer Stimme. »Du hättest es wissen müssen, Nellie.«
    »Es wissen müssen?« Das Lachen kratzte Nell in der Kehle. Suzie drückte sich dichter an die Wand. »Was hätte ich wissen müssen?« Nell war an einen Stuhl gefesselt, so gut verschnürt wie ein Stubenküken. Es war ein guter, fester Stuhl, ein Neukauf, den Michael zweifellos von dem Geld angeschafft hatte, das
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