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Eine naechtliche Begegnung

Eine naechtliche Begegnung

Titel: Eine naechtliche Begegnung
Autoren: Meredith Duran
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Wie schön.« Eine gute Tasse Tee hätte Nell wirklich genossen. Dieser Tage konnte sie sich eigentlich keinen leisten, weil sie sparen musste.
    Der Gedanke daran dämpfte ihre Stimmung. Sie konnte sparen, so viel sie wollte, sie kriegte nie schnell genug das nötige Geld zusammen. Währenddessen ging es Mum fast stündlich schlechter.
    »… es gibt auch Geschenke«, plapperte Hannah weiter. »Du musst unbedingt zur Zusammenkunft kommen!«
    »Was bleibt mir denn übrig? Suzie hat heute Nacht Schicht im Motts, und Mum kann nicht allein bleiben.«
    Hannah warf ihr einen durchtriebenen Blick zu. »Soll Michael mal auf deine Mutter aufpassen!«
    Nell hätte beinahe laut losgelacht. Das wäre ein wahres Wunder. Seit Mum zu krank zum Arbeiten war, wollte Michael nichts mehr mit ihr zu tun haben. Auf einmal erinnerte er sich daran, dass er nur ihr Stiefsohn war. »Bestimmt will er Suzie Gesellschaft leisten.« Er liebte die halbseidene Atmosphäre des Clubs, wo seine Frau hinter der Theke stand, genauso wie den feinen Likör, den Suzie ihm zuschob, wenn sie dort arbeitete.
    Er liebte auch Suzies Lohn. Jeden einzelnen Penny riss er sich unter den Nagel, Suzie behielt gar nichts. Nell konnte nicht auf ihre Hilfe zählen.
    Einen Geldverleiher brauchte sie. Zwar verliehen die nicht gern an Frauen, aber vielleicht könnte Michael etwas an ihrer Stelle leihen.
    Aber würde Michael ihr das Geld geben, wenn er es einmal hatte? Er teilte nicht gern. Letztes Jahr war er zu einem hübschen Geldsegen gekommen, allerdings hatte er jeden Penny davon seinem politischen Club gespendet … Mit Politik hatte er inzwischen nichts mehr am Hut, jedoch sorgten Glücksspiel und Gin dafür, dass seine Taschen leer waren. Falls er ein Darlehen aufnähme und sich weigerte, ihr etwas davon zu geben … Nell wusste nicht, was sie dann noch tun sollte.
    Aber eigentlich wusste sie es. Sie wusste ganz genau, wie sie ihre Probleme lösen konnte. Michael würde ihr mit der größten Bereitwilligkeit dabei helfen. Aber das konnte sie nicht. Allein beim Gedanken daran wurde ihr kalt bis ins Mark und speiübel. »Ist die Schüssel zerbrochen, wirft man die Scherben fort«, pflegte Mum immer zu sagen.
    Aber Mum sagte auch, dass man nur beten müsste. Bloß weil Nell nicht daran glaubte, war sie noch lange keine Heidin.
    Unglücklich sah sie Hannah an. Schon als Kinder hatten sie im gleichen Haus gewohnt, waren zusammen zur Schule gegangen, hatten an Sonntagnachmittagen auf der Straße Unfug getrieben. Nie hatten sie Geheimnisse voreinander gehabt. Aber in letzter Zeit war das anders. Über manche Dinge konnte Nell aus Scham nicht mit ihr sprechen.
Mein Stiefbruder will eine Hure aus mir machen.
Wie sollte eine junge Frau so etwas über die Lippen bringen? Und welchen Sinn hatte es auch? Hannah könnte ihr nicht helfen, sie hätte höchstens Mitleid mit ihr.
    Wobei ein wenig Mitleid sich gerade ganz wunderbar anhörte. Nell nahm all ihren Mut zusammen. »Han, ich muss dir etwas …«
    »Oh, sieh nur!« Hannah ließ ihren Arm los und rannte auf ein Schaufenster zu. Die Gaslampen im Fenster erleuchteten eine Reihe von Fotografien.
    Nell atmete aus. Sie war erleichtert. Sie würde es schon allein schaffen.
    Zu ihrer Überraschung musste sie trotzdem ein paarmal fest blinzeln, um die aufsteigenden Tränen zu unterdrücken. »Ich muss mich beeilen.«
    »Ach, komm schon. Nur ganz kurz.«
    Seufzend ging Nell zum Fenster hinüber. Es war die allerneueste Tollheit, Fotografien von Schönheiten der feinen Gesellschaft zu erwerben. Michael hatte sich ein paar davon zu Hause an die Wand geheftet, Ladys in protzigen Abendkleidern und mit Diademen auf dem Kopf. Manchmal, wenn Nell Schellfisch über dem Feuer briet, ertappte sie sich dabei, wie sie sie anstarrte. Sie sahen aus wie Puppen, mit schmalen Taillen, so sanft gewelltem Haar. Wenn Nell im beißenden Fischgestank stand, konnte sie kaum glauben, dass diese Geschöpfe in derselben Welt existierten, zur selben Zeit, kaum ein paar Meilen entfernt. Sie kamen ihr so unwirklich vor, als lebten sie weit weg auf dem Mond.
    »Die da kenne ich!« Hannah drückte einen Finger gegen die Scheibe und zeigte auf ein hübsches Mädchen in einem dunklen Brokatkleid mit Seidenrosen. »Lady Jennie Churchill, steht das da?«
    Vor der Fotografie lag ein kunstvolles Schild, das mit Schreibschrift bedeckt war. Nell warf einen kurzen Blick darauf. »Stimmt genau.«
    »Sie ist die Amerikanerin, die den Sohn des Duke of Marlborough geheiratet
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