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Eine Luege ist nicht genug

Titel: Eine Luege ist nicht genug
Autoren: Alan Gratz
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anders. Ich glaub, ich hab ihn mal dabei überrascht, wie er dir ein Gedicht geschrieben hat.«
    Sie wurde ein bisschen rot, aber die Traurigkeit gewann wieder die Oberhand. »Und was ist dann passiert?«
    Darüber musste ich kurz nachdenken. »In erster Linie war es sein Vater«, erzählte ich ihr. »Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie schwer ihn das getroffen hat. Es war, als hätte jemand bei ihm den Stöpsel gezogen. Wochenlang ist er wie ein Zombie rumgelaufen. Sogar mit den Leuten, die er jeden Tag gesehen hat, hat er kaum gesprochen.«
    Olivia nickte. Sie konnte ihm das vergeben, das konnte ich sehen, doch wir beide wussten, dass da noch mehr war.
    »Dann ist das mit Trudy und Claude passiert. Hast du eine Ahnung, warum er seinen Onkel so sehr hasst?«
    Sie überlegte kurz und schüttelte dann den Kopf. »Nein. Ich meine, der ist genauso ein Arsch wie Hamiltons Dad. Die haben sich beide den Teufel drum geschert, was sie Denmark antun.«
    »Also, wenn du mich fragst, hat er nichts mit irgendeinem Mädchen zu tun gehabt, seit er mit dir Schluss gemacht hat«, sagte ich zu ihr.
    Das zu hören, machte Olivia auch nicht glücklicher. Vielleicht wäre es ihr lieber gewesen, wenn der Grund für die Trennung ein anderes Mädchen gewesen wäre. Dann hätte sie außer Hamilton noch jemand gehabt, auf den sie wütend sein konnte. Und das bedeutete, sie war noch gar nicht bereit, ihn gehen zu lassen, ganz egal, wie anders sie sich auch verhalten mochte.
    Wie aufs Stichwort kam Hamilton hereingeschlendert. Olivia stand da, als wäre sie beim Knutschen mit mir erwischt worden, doch sie lehnte sich ganz schnell wieder lässig zurück. Hamilton bekam das nicht mit, ich aber schon.
    »W as macht ihr hier?«, wollte er wissen.
    »W ir haben nur nach einem Trottel gesucht«, sagte sie. »Und bums, da kommt einer rein.« Sie drehte sich um und lächelte mich an. »W ir sehen uns, Horatio.«
    Hamilton sah sie nicht an, als sie sich an ihm vorbeischob, aber ich ließ sie nicht aus den Augen. Ich habe keineswegs vor, in den nächsten vierzig oder fünfzig Jahren zu heiraten, doch an Olivia war ich eindeutig mehr als nur an einer Ferienbeziehung interessiert.
    »Mischst du dich jetzt ein?«, fragte Hamilton.
    »Und wenn? Ich hab gedacht, ihr zwei wärt fertig miteinander?«
    »Komm mit«, sagte er. »Die Testamentseröffnung geht gleich los.«
    Mir war nicht entgangen, dass er meine Frage nicht beantwortet hatte.

Viertes Kapitel

    Das Büro, in dem das Testament verlesen werden sollte, sah aus wie eine Seite aus der Jagd- und Angelzeitschrift Field & Stream . Eine Regenbogenforelle hing an einer Tafel über dem Kamin und wand sich in Ekstase, als könnte sie ihr Glück noch nicht fassen, gerade den Haken geschluckt zu haben. Zu meinen Füßen lag ein großer schwarzer Bär hingeklatscht, als hätte ein Gewicht von sechzehn Tonnen alles bis auf seinen Kopf platt geschlagen. Mann, der war vielleicht sauer.
    »Ganz schön beeindruckend, was?«, fragte ein dicker bärtiger Mann, den ich als Hamiltons Onkel Claude ausmachte. »Hab ihn selbst fertiggemacht.«
    »Mit den bloßen Händen?«, fragte ich.
    Claude lachte, als wär das lustiger als alles, was er je gehört hatte. Hamilton fand eine Ecke, in der er die beleidigte Leberwurst spielen konnte, und so stellte Claude uns selbst einander vor.
    »Du musst Hamiltons Freund Horatio sein. Familienname?«
    »Ja, wir heißen alle Horatio. Ich und meine sechs Schwestern.«
    Wieder das Lachen. Er übertrieb es maßlos. Mit dem Kopf deutete er auf eine blonde Frau, die an einem kleinen Besprechungstisch saß. »Du kennst doch Hamiltons Mutter Trudy, oder?«
    Mrs Prince war eine von den Müttern, von denen du zwar weißt, dass sie attraktiv sind, bei denen du aber versuchst, nicht zu sehr darüber nachzudenken. Sie ist kein Supermodel oder so was, aber sie ist ganz klar die Art von Mutter, bei der man einen zweiten Blick riskiert. Die paar Male, die wir uns begegnet sind, war sie ausgesprochen nett zu mir, als wüsste sie zu schätzen, dass Hamilton jemanden zum Rumhängen gefunden hat, der kein Neandertaler ist. Abgesehen davon, dass sie ihre Männer schneller wechselt als Supermann seine Kleidung in einer Telefonzelle, ist sie meiner Meinung nach in Ordnung.
    »W ir kennen uns schon«, sagte ich und nickte ihr mit einem teilnahmsvollen Lächeln zu. »Herzliches Beileid.«
    Für den Bruchteil einer Sekunde wirkte sie verwirrt. Ich kam wohl ein bisschen spät mit meiner
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