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Eine Leiche zu Ferragosto

Eine Leiche zu Ferragosto

Titel: Eine Leiche zu Ferragosto
Autoren: Diana Fiammetta Lama
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dieses dumme Zimmermädchen stellte ihm immer seine ganze Ordnung auf den Kopf, bestimmt um ihn zu ärgern, da, endlich. Er schlugdas Buch beim Komplet auf, und nach den ersten Zeilen schloss er mechanisch die Augen und begann das Abendgebet zu murmeln.
     
    Samstagabends ging Santomauro, auch wenn er dienstfrei hatte, selten aus. Seit seiner Ankunft hatte er kaum jemanden außerhalb der Kaserne kennengelernt. Um die Wahrheit zu sagen, hatte er das Gefühl, nirgendwo so recht reinzupassen. Er war aus Neapel, entstammte aber nicht gerade der sozialen Schicht jener, die sich hier eine der raren luxuriösen Ferienvillen leisten konnten, welche sich auf dem Gebirgskamm versteckten. Auf der anderen Seite fiel es ihm als Städter schwer, sich mit den Dorfbewohnern anzufreunden, was für Pietro Gnarra und Totò Manfredi ganz natürlich war, die in ähnlichen Örtchen aufgewachsen waren.
    Auch im Tresette -Spielenwar er schlecht, Videopoker raubte ihm den letzten Nerv, und alkoholischen Getränken war er ebenfalls abgeneigt. Die umliegenden Bars waren daher nicht sein Fall.
    Sein zurückhaltendes Naturell verbot es ihm, sich über die Maßen mit den Untergebenen zu verbrüdern, selbst wenn er es gewollt hätte. Die Carabinieri ihrerseits fanden ihn nett, schätzten ihn als Vorgesetzten, waren aber in seiner Gegenwart nicht so locker wie im Umgang mit den beiden Brigadieri. Der von Natur aus gesellige Gnarra schien wie dafür gemacht, die Gunst der Menschen zu gewinnen. Manfredi war vielleicht weniger leutselig, aber bereits seit zehn Jahren hier und ein zuverlässiger, ruhender Pol der Truppe.
    Tatsächlich waren die beiden die Einzigen, denen Santomauro sich verbunden fühlte, doch die Art Zerstreuungen, die sie ihm bieten konnten, obgleich untereinander höchst unterschiedlich, passten nicht so ganz zum Geschmack des Maresciallo.
    Totò war ganz Ehemann und Familie. Maria Pia und die Kinder waren wunderbar, doch mehr als hin und wieder ein Abendessen im Familienkreis ertrug Santomauro einfach nicht.
    Pedro war im Grunde ein einsamer Wolf, aber gelegentlich wäre er durchaus bereit gewesen, ihm zuliebe zu zweit auf die Jagd zu gehen, wäre es nicht ausgerechnet das Konzept des Jagens gewesen, das dem Maresciallo so gar nicht behagte. Also hatte dieser, nachdem sie ein paar Abende trotz seiner Abneigung gegen Alkohol gemeinsam getrunken hatten und er verfolgt hatte, wie der Freund die weibliche Beute ins Visier nahm, umkreiste und schließlich erlegte, sich immer öfter Ausreden einfallen lassen, um zu Hause zu bleiben.
    So genoss er auch an diesem Samstag nach einem einfachen, aber leckeren Abendessen die abendliche Frische auf der Terrasse seines Hauses, ein Buch in der Hand und ein Gläschen Walnusslikör neben seinem Liegestuhl auf dem Boden.
    Er las zum wiederholten Mal »Wer die Nachtigall stört«, doch nach wenigen Seiten legte er das Buch beiseite und blickte zur Decke hinauf.
    Die Geckos tauchten immer ganz plötzlich aus der Dunkelheit hinter dem Terrassenmäuerchen auf. Sie waren unterschiedlich groß, manche riesig, mit dickem Bauch und kräftigen Beinen, andere winzig klein und flink. Alle hatten sie unbewegliche, unter den schweren Lidern hervorlugende Augen, alle belauerten geduldig und listig ihre Beute: Nachtschwärmer, Falter, manch eine unterkühlte Biene, Fliegen, Mücken, dicke Libellen mit ihren schillernden Flügeln, Käfer und andere ihm unbekannte Insekten, die sich, von der Lampe und ihrem gelben Schein angezogen, an seiner Decke niederließen und dort träge sitzen blieben als gefundenes Fressen für die geheimnisvollen Geckos.
    Santomauro war überzeugt, dass Geckos hypnotische Fähigkeiten besaßen. Anders war es nicht zu erklären, dass die armen Insekten, die zunächst wie wild hierhin und dorthin flatterten, sich ausgerechnet in unmittelbarer Nähe zu ihren Räubern seelenruhig niederließen. Still und leise näherten sich dann die Geckos, langsam, mit millimeterfeinen Bewegungen, die für das menschliche Auge kaum wahrnehmbar waren. Manchmal erhob sich das auserwählte Opfer taumelnd in die Höhe, landeteaber dann unvermeidlich wieder im Aktionsradius des Jägers oder eines weiteren Geckos, der geduldig an anderer Stelle wartete. Nach wenigen Minuten war das Drama vorbei, das Insekt zuckte und wand sich im Maul des Reptils, das sogleich wieder in Reglosigkeit erstarrte, bereit zur nächsten Jagd.
    Santomauro beobachtete fasziniert das Schauspiel. Stundenlang konnte er ihnen nachts zuschauen,
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