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Eine Leiche zu Ferragosto

Eine Leiche zu Ferragosto

Titel: Eine Leiche zu Ferragosto
Autoren: Diana Fiammetta Lama
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die das Glas hielt, war ruhig, die gebräunten Beine locker übereinandergeschlagen, das Lächeln herzlich, vielleicht sogar ein wenig zu herzlich für seine Person, doch ein Augenlid zuckte unkontrolliert, während Leandro de Collis sich in überflüssigen Erklärungen erging.
    »Tja, aber nun sind Sie ja nicht gekommen, um Einzelheiten über mein Familienleben zu erfahren. Was kann ich für Sie tun?«
    Die gewohnte Arroganz brach wieder durch, ganz offensichtlich glaubte der Professore trotz seiner Nervosität, den tumben Carabinieri erfolgreich seine wahren Gefühle verborgen zu haben. Und vielleicht hatte er sogar recht, dachte Santomauro, der unter seiner Uniform schwitzte. Manfredi rauchte glückselig vor sich hin, ein wahres Abbild der Arglosigkeit.
    »Wie Sie sich denken können, Professore, interessieren wir uns außerordentlich für den Obduktionsbefund«, Schleimer, dachte er bei sich, der aalglatte Vertreter der Ordnungskräfte schleimt sich ein bei der Macht und Intelligenz, »und hoffen daher, von Ihnen ein paar Vorabinformationen zu bekommen.«
    »Wessen Obduktion?«, fragte de Collis scheinheilig.
    Schleimer ja, aber verarschen lasse ich mich nicht. »Die der unbekannten weiblichen Leiche, die letzten Donnerstag unter den Algen am Strand gefunden wurde, Professore, oder haben Sie noch andere auf dem Tisch?«
    »Zufälligerweise habe ich noch so einige Leichen außer der Ihren auf dem Tisch, Maresciallo. Ich bin Rechtsmediziner von Beruf, nicht Metzger.«
    Irre ich mich, oder läuft der Mistkerl gerade zu Bestform auf? Runter mit der Maske, und schon hat man wieder den gewohnten Hurensohn vor sich. Aber warum zuerst die Nervosität? Santomauro machte sich im Geiste eine Notiz, da es ihm affig vorkam, den Block hervorzuziehen.
    »Natürlich, aber aufgeschlitzte und halb verweste Leichen doch eher wenige, oder, Professore? Also, was können Sie uns dazu sagen? Oder gibt es etwas, das Sie uns lieber nicht sagen möchten?« Manfredi war aus seinem Nikotinkoma erwacht und nahm den Arzt scharf ins Visier. De Collis schien sich wieder unwohl zu fühlen und kippte einen zwei Finger breiten Schluck Bourbon hinunter.
    »Es ist einfach so, dass ich Ihnen den Befund lieber mitgeteilt hätte, wenn die Obduktion abgeschlossen ist. Ich habe erst einen oberflächlichen Blick darauf werfen können, aber wie dem auch sei …« Er räusperte sich und nahm eine aufrechte Haltung ein, während er sich den Schnäuzer glattstrich. Zum ersten Mal fiel Santomauro auf, dass seine Haare zwar schlohweiß, seine Augenbrauen und der Bart aber tiefschwarz waren.
    »Es handelt sich um die Leiche einer Frau kaukasischer Abstammung, wohlgenährt, körperlich in gutem Zustand, keine nennenswerten Krankheiten, zumindest soweit sich das angesichts des Fäulnisgrades des Materials sagen lässt. Geschätztes Alter zwischen dreißig und vierzig, Körpergröße eins siebzig, etwa sechzig Kilo. Perfektes Gebiss, was mich quasi ausschließen lässt, dass es sich bei der Leiche um eine Prostituierte aus dem Osten oder Ähnliches handelt.«
    Er hatte sich während seines Berichts erhoben und deklamiertemit einer Stimme, die seinen Studenten in guten alten Zeiten wohl vertraut gewesen sein musste.
    »Todeszeitpunkt vor etwa vierzehn oder fünfzehn Tagen, Todesursache Messerstiche. Mit einer breiten Klinge, wahrscheinlich einem Küchenmesser. Ich habe dreiundvierzig Einstiche gezählt, mindestens zehn tödlich, viele davon an Armen und Händen, mit denen sie sich möglicherweise gewehrt hat. Das Verbrechen wurde mit brutaler oder von Hass genährter Energie begangen. Der Körper weist Zeichen fortgeschrittener Zersetzung auf, und auch die Müllabfuhr des Meeres hat das ihre dazu beigetragen, aber ich glaube, dass ein Teil der Läsionen dem Mörder zuzuschreiben sind, ein Versuch post mortem, die Identifizierung zu erschweren. Ich beziehe mich dabei auf die Entfernung der distalen Gliedmaßen an Händen und Füßen, allzu akkurat und vollständig, auch das Gesichtsgewebe scheint mir willentlich zerstört worden zu sein. Ein merkwürdiger Mörder: Zuerst sticht er sie wie ein Wilder ab, dann komplettiert er sein Werk mit quasi chirurgischer Sorgfalt. Ich fürchte, da haben Sie eine ganz schön harte Nuss zu knacken, meine Herren.« Die Befriedigung in seiner Stimme war kaum zu überhören. Doch der Mann verstand sein Geschäft, und das war im Moment das Einzige, was zählte.
    »Sonst noch etwas, das uns bei der Identifizierung helfen könnte?«
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