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Eine Leiche zu Ferragosto

Eine Leiche zu Ferragosto

Titel: Eine Leiche zu Ferragosto
Autoren: Diana Fiammetta Lama
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die Annäherung, das Warten, das Zuschnappen und der Tod, und alles in tiefster Stille. Nur wenige Male hatte Santomauro gehört, dass sie Laute ausstießen – meistens schien es bei ihren Disputen um die Kontrolle des Territoriums zu gehen, in der Regel zwischen einem großen und einem kleineren Gecko –, eine Art Kreischen, fast unhörbar, doch in seiner Fremdheit nicht minder gruselig.
    Es waren Tiere von unendlicher Grausamkeit, ebenso alt wie die Welt. Santomauro fand, dass diese Mörder viel gnadenloser waren als diejenigen, mit denen er beruflich zu tun hatte. Nicht die Liebe leitete sie, nicht Angst, nicht Gier, nicht einmal der Hunger, der im Tierreich ansonsten quasi das einzige Mordmotiv darstellte. Nein, sie töteten und fraßen auch dann noch, wenn sie längst satt waren, sie verfolgten eine Art ethnische Säuberung im kleinen Reich der Insekten, die, vom Licht angezogen, auf der Terrasse des Maresciallo kampierten. Erst wenn auch das letzte Insekt verschlungen war, kehrten sie in die Dunkelheit zurück, genauso lautlos, wie sie gekommen waren.

 
    Sonntag, 12. August
    Am Samstagabend tanzte Pippo Mazzoleni im Blue Moon in Ogliastro bis morgens um vier. Ihm war eingefallen, dass sein Steuerberater, der seit zwei Jahren geschieden war, in der Gegend Urlaub machte. Also hatte er ihn angerufen, und sofort hatte der Freund ihn eingeladen, mit ihm und zwei blutjungen polnischen Kellnerinnen auszugehen. Es war ein ungewöhnlicher Abend geworden, begonnen in einer Pizzeria, wo die Mädchen lachten, wie die Bierkutscher tranken und so taten, als verständen sie kaum Italienisch, dabei verstanden sie es sehr wohl, und wie! Dann ab in die Disko, wo Maurizio, der Steuerberater, seine Beute in ein Whisky-Cola-Koma zu versetzen versuchte im schamlosen Ansinnen, sie wahrscheinlich noch vor Ort, im Auto auf dem Parkplatz, zu vernaschen. Doch die Mädchen wollten nur tanzen, da nützten auch die Annäherungsversuche des armen Maurizio nichts, der um ein Uhr nachts schon hoffnungslos betrunken war. Pippo kam das sehr gelegen, er vergnügte sich ausgelassen auf der Tanzfläche mit Elka und Mariarka, bedröhnte sich bis zur Besinnungslosigkeit mit Musik und Alkohol. Er war ein guter Tänzer, die Mädchen hatten ihren Spaß, und am Ende des Abends wusste er, dass er, wenn er gewollt hätte, alle beide hätte haben können. Ohne Bedauern brachte er sie nach Hause: Ein Disko-Abend zum Stressabbau war okay, aber man durfte es nicht übertreiben, selbst wenn die eigene Frau sich seit dem bösen Streit vor drei Wochen nicht gemeldet hatte.
    Am nächsten Morgen musste er gegen zwölf seine Höhle verlassen, da der Kühlschrank unaufschiebbare Bedürfnisse anmeldete. Das helle Sonnenlicht pochte in seinen Schläfen, seinMund schmeckte nach nasser Asche, seine Augen waren nicht mehr als zwei schmale Schlitze, dabei war er erst einundvierzig und hielt sich mit Laufen und Schwimmen fit. Noch im Halbschlaf parkte er vor dem Metzger von Pioppica Sotto. In Pioppica waren die Geschäfte wie an der übrigen cilentanischen Küste auch sonntags bis fünfzehn Uhr geöffnet. Die dicken, milchigweißen Verkäufer schwitzten hinter ihren Tresen, während sie braungebrannte und unsittlich knapp bekleidete Urlauber bedienten.
    Mit der Einkaufstasche in der Hand wollte Mazzoleni nur schnell nach Hause, duschen und sich wieder hinlegen, um schlafend auf den einen Anruf zu warten, der nicht kam, da überfiel ihn von hinten eine schrille Stimme.
    »Pippo, ein Glück, dass ich dich treffe. Ich versuche schon seit gestern, dich zu erreichen.«
    Diese Stimme konnte niemand anderem gehören als Bebè. Und das war mehr, als ein Mann an einem Morgen wie diesem ertragen konnte. Pippo drehte sich resigniert um.
    »Mamma mia, wie siehst du denn aus! Ist alles in Ordnung? Du solltest lieber im Bett bleiben!«
    »Genau das hatte ich eigentlich vor, ehrlich gesagt, aber ich musste zum Einkaufen raus …«
    »Du Dummerchen, du weißt doch, du kannst mich jederzeit anrufen, ich hätte für dich eingekauft und dir die Sachen zu Hause vorbeigebracht.«
    Ja klar, um überall herumzuschnüffeln und dir dann mit deinen Freundinnen das Maul zu zerreißen, dachte er schaudernd, während sie verführerisch mit den Lidern klimperte. Er hatte dem Gerede über diese Frau nie besondere Beachtung geschenkt, und die Aufdringlichkeit, mit der Bebè sich immer zur Schau stellte, betrachtete er als eine Art Gesellschaftsspiel. Daher behandelte er sie mit distanzierter
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