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Eine Leiche im Badehaus

Titel: Eine Leiche im Badehaus
Autoren: Lindsey Davis
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ihn bei irgendwas erwischt.
    »Die alte Geschichte«, murmelte er. »Zu viel Sand im Essen. Verletzt die Zahnoberfläche, und dann fängt der Ärger an. Wenn Sie früher zu mir gekommen wären, hätte ich das Loch mit Alaun oder Mastixharz füllen können, aber das hält nie lange.« Obwohl alles, was er sagte, professionell klang, merkte ich, dass ich das Vertrauen zu ihm verlor. »Soll ich den Zahn langsam ziehen?«
    Ich gurgelte ausgiebig, den Mund immer noch weit aufgesperrt. »Schnell!«
    »Langsam ist besser. Richtet nicht so viel Schaden an.«
    Ich wollte nur, dass er endlich loslegte.
    Jetzt hatten sich meine Augen an das stygische Dämmerlicht gewöhnt. Der Zahnklempner war ein mageres Wiesel mit nervösem Bück und dünnen Haarbüscheln. Er hatte ein Verhalten perfektioniert, das all seine Patienten in Angst und Schrecken versetzen musste.
    Ich dachte an meinen Großonkel Scaro, der einst bei einem etruskischen Zahnarzt gewesen war, dessen Fähigkeiten ihn enorm beeindruckt hatten. Scaro war besessen von Zähnen. Als kleiner Junge hatte ich oft zugehört, wenn er davon erzählte, wie dieser Mann seine Patienten zwischen den Knien einklemmte und mit Feilen an ihnen herumraspelte, um den Zahnstein wegzukriegen, und wie er ein Goldband herstellte, das über die restlichen Zähne passte, in die aus Ochsenzähnen geschnitzter Ersatz reingerammt worden war.
    In Noviomagus Regnensis würde ich keine geschickt hergestellte Goldspange und eine anständige Brücke bekommen. Der Mann hatte nicht das Zeug dazu. Er stieß gegen den Gaumen. Ich schrie auf. Er sagte, wir sollten noch etwas warten.
    Der Medizintrank begann zu wirken. Ich muss kurz eingenickt sein. Die Zeit schrumpfte zusammen, ein paar Sekunden füllten sich mit einem weit gespannten Traum, in dem ich den neuen Palast entstehen sah. Ich erblickte einen Burschen, der der neue Projektleiter sein musste. Er berechnete die Arbeit, überprüfte die Baupläne, verhandelte wegen kostspieliger Materialien und stellte Spezialisten ein. Um ihn hing eine Wolke aus Steinstaub über dem größten Werkhof nördlich der Alpen. Er inspizierte Marmor aus allen Teilen der Welt – Kalkstein, Sedimentgestein, körnig und von Adern durchzogen. Säulen wurden geriefelt, Zierleisten poliert, Wandfriese nach harten Schablonen angelegt. In Schreinereien quietschten Hobel, Feinsägen kreischten, und Hämmer dröhnten. An anderen Stellen verlegten Zimmerleute Bodenbretter und pfiffen dabei schrille Melodien, um ihren eigenen Lärm zu übertönen. In Schmieden wurde gehämmert, entstanden Fensterriegel, Rohrabdeckungen, Griffe, Scharniere und Haken. Und dazu Tonnen von Nägeln, die in meinem Traum alle neun Zoll lange Ungetüme waren.
    Ich erblickte den fertigen Palast in seiner ganzen Pracht. Eines Tages würden geschäftige Füße über die stillen Flure des Königs eilen, würde Stimmengewirr aus den eleganten Räumen dringen. Eines Tages …
    Ich wachte auf. Irgendwas stimmte mit meiner dunklen Umgebung nicht. Ich sah sie nur verschwommen. Das weite Innere einer Werkstatt. Furcht erregende Gerätschaften hingen an den Wänden – Zangen und Hämmer. War dieser Zahnklempner ein Folterknecht oder nur provinziell und ungehobelt? Er besaß ein Werkzeug, das mir vertraut war – eine Doppelzange mit scharfen Rändern. Als ich so was zum letzten Mal gesehen hatte, war es das Kostbarste, was Maias toter Ehemann Famia besaß. Er benutzte sie, um Hengste zu kastrieren.
    Der Mann näherte sich mir. Er hielt eine riesige Kneifzange in der Hand. Seine Augen waren wässrig, und ich konnte üble Absichten darin erkennen. Mein benebeltes Hirn erkannte endlich die Wahrheit. Er hatte mich betäubt. Und jetzt wollte er mich töten. Ich war ein Fremder. Warum sollte er das tun?
    Ich bewegte mich und sprang auf. Er musste gedacht haben, ich sei bewusstlos. Beunruhigt wich er zurück. Ich warf das Tuch ab, mit dem er mich zugedeckt hatte. Es erinnerte an eine alte Pferdedecke. Ich sah, dass mein Kopf reichlich unbequem auf einem Amboss geruht hatte.
    »Das ist ja eine Schmiede!«
    »Er ist weg. Ich hab sie gekauft.«
    »Sie sind ein Amateur. Und ich bin auf Ihre Geschichte reingefallen!«
    Das hier war nichts für mich. Ich würde Cyprianus dazu bringen, mir den verdammten Zahn mit einer anständigen Beißzange zu ziehen. Besser noch, Helena würde mich nach Londinium bringen. Ihr Onkel und ihre Tante würden einen fähigen Spezialisten kennen, der dünne Löcher in den Abszess bohren und das Gift
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