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Eine Frau für Caracas

Eine Frau für Caracas

Titel: Eine Frau für Caracas
Autoren: Horst Biernath
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nur, Herr Gisevius«, sagte Christine, »Karin war vor zwei Jahren noch schlimmer. Aber diese Sprüche treten sich mit dem ersten hohen Absatz weg.«
    In Regensburg bummelten sie eine halbe Stunde durch die Altstadt mit ihren winkeligen, mittelalterlichen Gassen, besichtigten den Dom und die alte Donaubrücke, aßen in einem Restaurant zu Mittag — Brigit durfte sich bestellen, was sie wollte, und wählte natürlich ein Brathähnchen — und fuhren auch noch nach Hohenstauf zur Walhalla hinaus, von der Christine enttäuscht war. Sie meinte, nach dem Dom hätte man sich diesen Weg ersparen können, und sie traf damit genau das, was sich Werner auch dachte. Natürlich stimmte Birgit hinter Regensburg das Lied >Als wir jüngst in Regensburg waren< an, und Christine summte die zweite Stimme mit. Werner war nicht nach Singen zumute, aber da er Birgit nicht erklären konnte, weshalb er so wenig sangesfreudig war, brummte er schließlich den Baß mit. Und dann kam die Lore am Tore und Sah ein Knab ein Röslein stehn , und beim schöhöhönen Wehehesterwald war er soweit, daß er das Klarinettensolo und den Pfiff ganz wacker herausbrachte.
    Zwischen Nittenau und Bruck wurde der Wagen von einer Polizeistreife gestoppt. Werner dachte sich nichts Arges dabei, bis er entdeckte, daß der Landpolizist bei der Prüfung der Papiere so nah wie möglich an ihn heranging und wie ein Kaninchen schnupperte. Er schnupperte nicht nur an Werner, er schnupperte auch an Christine, und er tat es so auffällig, daß sie es bemerkte und plötzlich begriff, was es zu bedeuten hatte.
    »Ja, sagen Sie einmal, was fällt Ihnen denn ein!« fauchte sie den Mann an, »meinen Sie etwa...«
    »Ich mein garnix , gnä ’ Frau«, antwortete der Polizist einigermaßen verlegen, »aber uns ist aus Nittenau ein Auto mit B’soffenen gemeldet worden, die laut singen, und da hab i halt g’moant ...«, er trat vom Wagen zurück, reichte Werner die Papiere mit einer Geste höflichen Bedauerns zurück, hob die Hand an den Mützenschirm und gab den Weg zur Weiterfahrt frei.
    »Sie!« sagte Christine mit funkelnden Augen, »hinter uns kommt ein Omnibus mit dem Jungfrauenverein von Stallwang , drei Ordensfrauen und der Pfarrer sind dabei, und singen tun sie auch! Vielleicht, daß die mit den B’soffenen gemeint sind!«
    Werner gab Gas und schoß davon, er mußte über den Polizisten und Christines Empörung so lachen, daß ihm die Tränen in die Augen kamen. Besonders der Jungfrauenverein von Stallwang tat es ihm an...
    »Dem haben Sie es aber besorgt!«
    »So ein Lackl, so ein g’scheerter ! Weil wir gesungen haben, riecht der Kerl an mir herum!«
    »Aber zu dir hat er gnädige Frau gesagt!« kicherte Birgit von hinten.
    »Das auch noch!« sagte Christine in neuer Empörung und verstand nicht, weshalb Werner mit einem neuen Lachanfall zu kämpfen hatte. Aber plötzlich wurde sie sehr verlegen...
    »Der Schandi hat dich für Onkel Werners Frau und mich für eure Tochter gehalten!« kicherte Birgit.
    »Sing lieber noch eins!« schlug Werner vor. »Wie wär’s mit Hoch auf dem gelben Wagen sitz ich beim Schwager vorn?«
    »Kann ich nicht...«
    »Dann — Am Brunnen vor dem Tore...«
    Birgit stimmte das Lied an, aber es dauerte bis zu den kalten Winden, ehe Christine wieder voll mit der zweiten Stimme einfiel.
    Hinter Cham kamen sie auf Straßen, auf denen sie kaum noch einem anderen Fahrzeug begegneten. Es waren Straßen, die dem braven Roland schwer zusetzten. Der Wald drängte sich dicht an den Weg heran, selten, daß Felder und Wiesen dem Blick Raum gaben, und hinter ihnen wehte eine lange Staubfahne, die gelb in das grüne Gebüsch abzog. Es kam Lambach , ein großes Kirchdorf mit zwei Gasthöfen, dem >Schwanenbräu< und dem >Lamm<, und gleich hinter dem Ort zweigte ein Weg mit einer Grasnarbe zwischen der Fahrspur nach Engling ab. Die Schrift auf dem morschen Wegweiser war kaum noch zu entziffern.
    »Sie hätten sich gleich beim Schwanenwirt ein Zimmer nehmen sollen, Herr Gisevius...«
    »Ich komme schon unter, wir sind ja kaum einem Wagen begegnet.«
    Werner brauchte für die fünf Kilometer bis Engling zehn Minuten. Holzfuhrwerke hatten den Weg tief ausgefahren, und manchmal sank die Spur so stark ein, daß er schon fürchtete, festzufahren oder den Auspufftopf zu verlieren.
    Es war ein kleines Dorf. Es war wirklich ein Dorf am Ende der Welt, denn wenige Kilometer dahinter verlief schon die Grenze, und die Straße, die aus Engling herausführte, war nur
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