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Eine Frau für Caracas

Eine Frau für Caracas

Titel: Eine Frau für Caracas
Autoren: Horst Biernath
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beschworen haben —, Severin am Steuer des Unglückswagens gesehen zu haben. Ich fürchte, Anita Eyssing bleibt der scheußliche Triumph eines Freispruchs aus Mangel an Beweisen.«
    »Was für ein Mensch...!« sagte Gerda erschauernd.
    »Sei froh, mein Liebling«, murmelte Dyrenhoff und tätschelte zärtlich Gerdas Hand, »daß du den Menschen nicht allzu oft hinter die Fassade blickst. Sie sind keine Engel… «
    Christine erschien in der Tür und fragte, ob sie den Kaffee draußen oder im Zimmer servieren solle.
    »Es gibt doch Engel...!« sagte Dyrenhoff mit einem Versuch, zu scherzen, und blinzelte Christine faul entgegen, »wenn ihr auch dafür seid, möchte ich den Kaffee draußen nehmen.«
    Auch Gerda und Werner stimmten Dyrenhoff zu, denn man spürte hier, vom Haus geschützt, den Ostwind nicht, der den Himmel seit Tagen freifegte . Die Aprilsonne prickelte angenehm wärmend auf die Terrasse herab.
    Christine verschwand, aber auch Werner erhob sich und ging ins Haus hinein, weil er sich eine neue Zigarettenpackung holen wollte. Christine hatte den Kaffeetisch bereits in Dyrenhoffs Zimmer gedeckt.
    »Das hätten Sie gleich sagen können, Christine, daß Sie den Tisch schon gedeckt haben!«
    »Es ist doch nichts dabei, die drei Kaffeetassen hinauszutragen.«
    »Wann fahren Sie nun mit Birgit ab?«
    »Der Zug geht morgen früh um neun in München ab. In Regensburg müssen wir nach Cham umsteigen, und dann geht es noch ein Stück mit dem Omnibus bis Lambach weiter. Dort holt uns mein Vater oder mein Bruder ab. Er fährt ein Motorrad mit Beiwagen.«
    »Freuen Sie sich schon auf daheim?«
    »Freilich — wer freut sich nicht, wenn er die Eltern nach einem halben Jahr wiedersieht?«
    »Wie hieß das Dorf doch gleich, wo Ihre Leute wohnen?«
    » Engling im Wald...«
    »Das klingt hübsch...«
    »Es ist aber nur ein ganz kleines Dorf, mit ein paar Häusern, und der Kirche, und dem Wirtshaus. Früher hatten wir nicht einmal eine Schule, sondern mußten nach Lambach laufen. Fast fünf Kilometer... Im Winter mußte uns der Vater oder einer von den anderen Männern den Weg freischaufeln, sonst wären wir im Schnee versoffen oder hätten uns im Wald verirrt.«
    »Viel Wald...?«
    »Ach du lieber Gott! Der Vater sagt immer, wenn man nicht Obacht gibt, wachsen einem noch die Bäume vom Keller durchs Dach. Es ist überhaupt nichts als Wald...«
    »Ihr Vater ist Glasbläser, nicht wahr?«
    »Ofenmeister!« sagte Christine nicht ohne Stolz, »er hat einen Streckofen unter sich.«
    »Einen was? Streckofen...?«
    »Das ist ein Ofen mit zwei Feuerungen und zwei Räumen für die Herstellung von feinem Tafelglas.«
    »So so ... Und weshalb heißt er Streckofen?«
    »Weil er einen Streckraum und einen Kühlraum hat. Im Streck-raum werden die Glaswalzen mit der Krücke geplättet, und wenn das geschehen ist, kommen sie in den Kühlraum. Dann wird der Ofen geschlossen, und nach ein paar Tagen können die Glasstöße herausgenommen werden.«
    »Ich habe kein Wort verstanden, Christine«, grinste er, »das müssen Sie mir noch einmal erklären!«
    »Haben Sie noch nie einen Glasofen gesehen?« fragte sie, als könne sie es nicht glauben, daß es einen Menschen gäbe, der so etwas noch nie gesehen habe.
    »Komisch, ich bin doch ein alter Gläserbenutzer, aber wie so ein Glas hergestellt wird, davon habe ich keine Ahnung. Streckraum, Kühlraum, Glaswalzen, Krücken...«
    »Dabei fällt mir ein, Herr Gisevius: wenn ich Ihnen vielleicht noch eine Flasche Whisky in den Eisschrank stellen soll, bevor ich wegfahre?«
    »Sie wissen doch, Christine, daß es mir allein keinen Spaß macht!«
    Er beobachtete mit Vergnügen, wie Christine wieder einmal bis in den Halsausschnitt hinein errötete.
    »Aber wie Glas hergestellt wird, das interessiert mich jetzt brennend. Man müßte sich das direkt einmal ansehen. Was meinen Sie dazu?«
    »Dazu brauchen Sie doch nur einmal in eine Fabrik gehen und es sich anschauen. Für mich als Kind war es immer wie eine Zirkusvorstellung, wenn der Vater mich in die Fabrik mitnahm und wenn ich zuschauen durfte, wie am Rohr aus einem Klumpen Fluß plötzlich die Flasche herauswuchs, als ob man einen Luftballon aufbläst. Und unsere Kinder sind auch ganz verrückt darauf und kaum heimzukriegen , wenn der Vater oder die Brüder sie einmal in die Fabrik mitnehmen.«
    »Schau an! Karin und Birgit waren schon in der Fabrik?«
    »Und der Berndi auch! Na, der kennt sich ja dort aus wie ein alter Glasbläser! Und er hat auch
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