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Eine Frau für Caracas

Eine Frau für Caracas

Titel: Eine Frau für Caracas
Autoren: Horst Biernath
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schon selber Glas blasen dürfen. Hat er Ihnen seine Flaschen noch nie gezeigt? Sie sind natürlich schief und krumm, aber er ist mächtig stolz darauf.«
    Werner griff in die Tasche nach den Zigaretten, aber er fand keine und blies das Feuerzeug, das er schon angezündet hatte, mit einem sanften Atemstoß aus. Die Flamme wehte sekundenlang Christine entgegen.
    »Haben Sie die Fahrkarten schon besorgt, Christine?«
    »Nein, ich kaufe sie erst morgen früh am Schalter.«
    »Wissen Sie was, Christine? Ich brauche ein bißchen Abwechslung. Ich brauche Luft, und ich möchte einmal wieder stundenlang durch einen richtigen Wald laufen. Hören Sie zu: ich fahre Sie und Birgit nach Engling im Wald! Und ich schaue mir an, wie man dort Glas herstellt, und ich bleibe ein paar Tage im Dorf...«
    »Das geht nicht, Herr Gisevius!« unterbrach sie ihn, »ich meine, es geht nicht, daß Sie in Engling bleiben!«
    »Warum sollte das nicht gehen?«
    »Nein, beim Riedinger — so heißt der Wirt nämlich — können Sie nicht wohnen! Da übernachtet höchstens einmal ein Reisender, und sonst nur noch die Holzfäller. Das ist nichts für Sie! Da sind die Betten mit Hühnerfedern gefüllt und wiegen einen Zentner, und zum Essen gibt es nichts als Geräuchertes mit Kraut... Nein, auf solche Gäste wie Sie ist der Riedinger wirklich nicht eingerichtet!«
    »Ich habe seit zehn Jahren kein Geräuchertes auf Kraut gegessen. Sie machen mir direkt den Mund wäßrig , Christine...«
    »Aber Herr Gisevius!« sagte Christine leicht verzweifelt, »was stellen Sie sich überhaupt unter Engling vor? Das liegt so einsam, daß Sie denken werden, Sie sind auf dem Mond. Da gibt es keinen Menschen, mit dem Sie sich unterhalten können, außer dem Lehrer und dem Förster vielleicht. Und die sitzen abends im Wirtshaus und spielen Schaf köpf oder Tarock...«
    »Ich sehe schon, Christine, Sie wollen mich absolut von Engling fernhalten...«
    »Aber nicht doch, Herr Gisevius, mir würde es ja selber Spaß machen, in so einem schönen Wagen wie in Ihrem zu fahren, und man brauchte auch nicht umzusteigen und Angst zu haben, daß Birgit einem abhanden oder unter die Räder kommt...«
    »Aber...?«
    »Daheim bei meinen Eltern kann ich Sie nicht unterbringen. Da geht es noch einfacher zu als beim Riedinger . — Höchstens, daß Sie sich in Lambach im >Schwanenbräu< einlogieren. Das ist ein Gasthof, wo im Sommer sogar Fremde wohnen...«
    »Na also!« sagte er befriedigt, »da hätten wir ja die Lösung des Problems!«
    Gerda und Dyrenhoff fanden seinen Einfall großartig, und am meisten begeisterte er natürlich Birgit, die viel lieber in dem schneidigen Wagen als mit der langweiligen Eisenbahn fuhr.
    »Ein paar Tage Waldluft!« sagte Dyrenhoff sehnsüchtig und trommelte sich mit den flachen Händen gegen die Brust, »nach all dem...! Ich überlege mir gerade, ob ich nicht ein paar Tage blaumachen soll, wenn es soweit ist, daß Christine mit Birgit wieder zurückfahren muß. Was meinst du dazu, Gerda? Im >Schwanen< in Lambach wohnt man ausgezeichnet und erstaunlich billig, und du bekommst Portionen vorgesetzt, daß dir die Luft wegbleibt!«
    »Das ist genau das richtige für dich, Dickerchen!«
    »Man kann ja was auf dem Teller lassen...«
    »Das hast du noch nie fertiggebracht. Lieber den Magen verrenkt, als dem Wirt was geschenkt... Das ist doch dein Wahlspruch!«
    »Was mich nicht umbringt, macht mich stärker!« grinste Dyrenhoff.
    Am nächsten Vormittag brachen sie nach Engling im Wald auf. Die ganze Familie winkte ihnen nach. Birgit kniete auf dem Notsitz und winkte mit ihrem nicht ganz sauberen Taschentuch zurück, bis der Wagen in die nächste Straße einbog. Und auch Christine steckte ihr Kopftuch ein, richtete sich auf dem Sitz zurecht, zog den hellgrauen Kostümrock glatt und zupfte an ihrer weißen Bluse.
    »Sitzen Sie bequem, Christine? Oder soll ich Ihnen den Sitz weiter nach vorn oder nach hinten stellen?«
    »Danke, er ist genau so recht...«
    Werner ließ sich Zeit. Mit dem Ferienbeginn war der Verkehr auf den Ausfallstraßen in der Nähe der Stadt beängstigend, aber je weiter sie sich von München entfernten, um so freier wurden die Straßen. Nach Birgits Meinung ließ Werner sich zuviel Zeit.
    »Drück mal ein bisserl auf den Pinsel, Onkel Werner!« sagte sie empört, als er sich von ein paar Kleinwagen überholen ließ, »die denken ja grad, die Mühle ist dir sauer geworden!«
    »Ausdrücke hast du wie ein Schlosserlehrling... «
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