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Eine Frau für Caracas

Eine Frau für Caracas

Titel: Eine Frau für Caracas
Autoren: Horst Biernath
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nicht allzu seriösen Zirkusunternehmens bedeutend ähnlicher als dem, was man sich gemeinhin unter einem erfolgreichen Architekten vorstellte. Lieber Gott, kariert von Kopf bis Fuß, und das alles in Farbtönen zwischen Enzianblau und Violett, Farben, die man als Frau selbst bei einiger Extravaganz kaum als Frühlingskostüm tragen konnte, ohne Aufsehen zu erregen. Einen dunkelblauen Mantel hatte er über die Schultern geworfen.
    »Werner...«, sagte sie zaghaft und streckte ihm die Hand entgegen. Er wechselte den blauen Luftkoffer und eine Art Golftasche aus grünem Schilfleinen von rechts nach links und tätschelte ihr mit seiner großen, regenfeuchten Hand über das Sperrgüter hinweg die Wange.
    »Gerda! Altes, treues Schwesterherz! Du hast dich verdammt gut herausgemacht! Schau an, und tizianrot bist du auch geworden... Steht dir aber gut zu Gesicht! Auch, daß du ein bißchen molliger geworden bist. Na ja, es waren ja auch die sieben mageren Jahre, damals...«
    Sie warf einen vorsichtigen Blick in die Runde, aber die Flugpassagiere und die paar anderen Leute, die sie empfingen, hatten andere Sorgen, als sich um ihr Wiedersehen mit diesem reichlich exotisch wirkenden Caballero zu bekümmern.
    »Hast du noch mit dem Zoll zu tun, Werner?«
    »Nein, alles schon in Frankfurt erledigt.«
    »Und dein Gepäck?«
    »Müßte eigentlich schon bei euch sein.«
    »Ist aber noch nicht eingetroffen.«
    »Dann wird es morgen oder übermorgen kommen.« Er blinzelte sie an: »Meine Aufmachung scheint dir nicht recht zu gefallen, wie?«
    »Ich bitte dich...«
    »Ich komme mir seit ein paar Stunden selber ein bißchen komisch vor, aber ich hoffe, Rosario hat mir einen Anzug eingepackt, den man auch hier tragen kann, ohne wie ein Pfingstochse angeglotzt zu werden.«
    Für eine Minute wurden sie getrennt, dann kam er durch die Sperre und nahm ihren Arm.
    »Keinen Begrüßungskuß ?«
    »Natürlich!« Sie hob sich auf die Fußspitzen, er umschlang mit dem freien Arm ihre Schultern, beugte sich herab und gab ihr einen herzhaften Kuß auf den Mund.
    »Ach, Gerda, zehn Jahre! Eine lange Zeit. Aber jetzt, wo ich dich wiedersehe, ist es, als ob ich dich vorgestern zum letztenmal um ein paar Mark für Zigaretten oder fürs Kino angepumpt hätte. Na, jedenfalls freue ich mich mächtig, wieder bei euch und im Lande zu sein.« — Er nahm ihren Arm, preßte ihn für einen Augenblick an seine Brust und ließ sich von ihr führen.
    »Bist du allein gekommen?«
    »Ich hatte mich mit Lothar verabredet. Wir wollten dich natürlich zusammen abholen. Aber im letzten Augenblick...«
    »... kam etwas dazwischen, nicht wahr? Dein Dyrenhoff steckt wohl heftig im Geschirr?«
    »Fast zu sehr. Ich habe wenig von ihm. Aber ich bin nicht allein gekommen. Anita Eyssing hat mich zum Flugplatz gefahren und wird uns nach Gräfelfing bringen. Ich glaube, ich habe dir von ihr geschrieben. Sie ist seit zwei Jahren Lothars Sekretärin...«
    »Eyssing? — Ja, ich glaube, ihrem Namen in einem deiner Briefe begegnet zu sein.«
    Sie näherten sich dem Parkplatz. Wieder einmal brach die Sonne nach einem heftigen Schauer für ein paar Minuten durch die Wolken. Gerda schüttelte ihren Schirm aus und klappte ihn zusammen.
    »Du hast in einem deiner letzten Briefe etwas Merkwürdiges geschrieben, Werner...«
    Vielleicht, oder sogar wahrscheinlich, wußte er ganz genau, was sie damit meinte, aber er stellte sich ahnungslos und sah sie fragend an: »Etwas Merkwürdiges?«
    »Nun ja, du schriebst, daß du die Absicht hättest, dir während deines Urlaubs in Deutschland eine Frau zu suchen, und fragtest mich, ob ich zufällig etwas Passendes auf Lager hätte.«
    »Und das findest du merkwürdig?«
    »Natürlich nicht deine Absicht an sich, du bist schließlich sechsunddreißig Jahre alt, und da wird es ja allmählich Zeit, sich mit solchen Gedanken zu beschäftigen...«
    »Na also!«
    »…wohl aber deine Frage. Wie stellst du dir das vor? Einmal leben wir ziemlich zurückgezogen, und in unserem kleinen Bekanntenkreis gibt es keine heiratsfähigen Töchter; aber ich würde mich auch hüten, jemand an dich zu verkuppeln.«
    »Warum eigentlich?«
    »Mir wäre die Verantwortung zu groß. Denn ginge es schief, dann wäre ich womöglich noch die Schuldige.«
    »Es war ja nur so ein Gedanke«, sagte er leichthin.
    »Aber du spielst immer noch mit ihm, nicht wahr?«
    »Warum soll ich nicht damit spielen?«
    »Du schriebst, daß du sechs oder acht Wochen in Deutschland bleiben willst.
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