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Eine Frau - Ein Bus

Titel: Eine Frau - Ein Bus
Autoren: Doreen Orion
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zwischen der Werkstatt und unserem Haus in Boulder hin und her. Allerdings weiß ich noch genau, wie ich mich fühlte: Ich war traurig. Unendlich traurig. Wir beide empfanden so. Unser Abenteuer war zu Ende.
     
    Das Auspacken dauerte Wochen. Ich bin sicher, wir hätten es auch in einem Tag geschafft, aber es war, als hielten wir uns, indem wir unser Gepäck in der Ladeluke ließen, noch eine Weile an unserem Jahr fest. Ich konnte nur staunen, wie viel ich auf die Reise mitgenommen und letzten Endes davon gebraucht hatte. »Ich hatte ja keine Ahnung, dass du so viele Schuhe mitgenommen hattest«, stellte Tim fest, als er mich in unserem begehbaren Kleiderschrank stehen sah, der etwa die Fläche unseres Schlafzimmers im Bus besaß. Ich hatte während des gesamten Jahres nur sechs Paar getragen, darunter ein Paar Turnschuhe und ein Paar Wanderstiefel. Selbst in Tims Gepäck fanden sich noch mehr von meinen Sachen. Ich hatte keine Ahnung, wie all das in den Bus gepasst hatte, geschweige denn in unser Haus. Am Ende ertrug ich es nicht mehr. »Erzähl es mir nicht, wenn du schon wieder etwas von mir gefunden hast. Gib es einfach in die Altkleidersammlung.«
    »Klar.« Tim wuchtete das nächste Gepäckstück hoch. »Wer ist eigentlich dieser Richard Tyler?«, hörte ich ihn murmeln. Ich stieß einen entsetzten Schrei aus und riss ihm die Jacke aus der Hand.

    Im Lauf der nächsten Monate verschenkte ich jede Menge Sachen (wenn auch nicht die Jacke von Richard Tyler), kaufte mir aber kein einziges neues Stück. Was umso erstaunlicher war, da während unserer Abwesenheit ein brandneues Einkaufszentrum in Boulder eröffnet hatte. Soweit ich gehört habe, gibt es sogar einen Macy’s dort. Ich kann es nicht genau sagen, weil ich nie hingegangen bin.
    Eines der Dinge, die ich während der Reise an mir wiederentdeckt hatte, war meine Liebe zum Lesen. Es hatte den Anschein, als hätte ich jahrelang keine Zeit dafür gefunden. Nach unserer Rückkehr, als mit der Arbeit und der Rückkehr in die eigenen vier Wände auch die Hektik Einzug in mein Leben hielt, ertappte ich mich dabei, dass meine Leselust wieder nachließ. Also ging ich dazu über, jeden Morgen eine halbe oder eine Stunde im Bett zu bleiben und zu lesen (bei abgeschaltetem Telefon). Und trotz Tims Bemerkung - »Du bist der einzige gesunde Mensch, den ich kenne, der Gefahr läuft, sich wundzuliegen« - fiel mir auf, dass auch er seine Tage mit einem entspannten Frühstück anfing. Und dabei las.
    Zwar treibe ich noch immer am liebsten Sport vor dem Fernseher, sehe mir aber nicht mehr ganz so viele Reality-Sendungen an, da ich losgezogen bin und ein Jahr lang meine eigene Reality erlebt habe. (Trotzdem bin ich immer noch leidenschaftlicher Bachelor -Fan.)
    Und Tim stürzte sich in sein neues Arbeitsleben, sobald wir wieder zu Hause waren. Zuerst mietete er ein Lagerhaus in der Nähe der Vanture-Jungs, um den Bus darin unterzustellen. Dann renovierte er Büroräumlichkeiten in besagtem Haus, um seine Patienten dort zu empfangen. Er achtet streng darauf, dass die Praxis klein bleibt (»So klein, dass keiner etwas davon weiß«, scherzt er), und nimmt nur
Fälle an, die ihm Spaß machen. Innerhalb weniger Wochen nach unserer Rückkehr hatte er außerdem ein altes Haus gekauft und angefangen, es mit Chris und John zu restaurieren. Allround-Freak war im Himmel. Er arbeitete mit seinen Jungs und lernte alle möglichen Kniffe, die er unbedingt zu Hause ausprobieren musste. Wie Chris freute auch er sich jeden Morgen beim Aufwachen darauf, was der Tag für ihn bereithielt.
    Und er nahm sich mehr Zeit, Freundschaften zu anderen Männern aufzubauen und zu pflegen. Vor unserem Bus-Jahr war einer seiner Therapeutenkollegen, Steve, in seinem Büro im Krankenhaus vorbeigekommen, um sich mit ihm über einen gemeinsamen Patienten zu unterhalten. Dabei hatte er gemeint, wie schade er es fände, dass er und Tim nie die Zeit gefunden hätten, einander näher kennen zu lernen.
    »Ich habe keine Ahnung, was schiefgelaufen ist«, sagte er. Tim nahm sich die Worte zu Herzen. Kaum waren wir wieder zu Hause, gab er sich mehr Mühe, seine Beziehung zu Steve und auch zu anderen Männern zu vertiefen. Erst kürzlich haben sich die beiden an dem versucht, was als die Essenz der Männerfreundschaft gilt - ein gemeinsamer Besuch einer Sportveranstaltung. Ich sage »versucht«, weil das Spiel der Rockies an diesem Abend wegen Regen abgesagt werden musste. (Und ich sollte auch den Begriff »Sport« in
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