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Eine Frau - Ein Bus

Titel: Eine Frau - Ein Bus
Autoren: Doreen Orion
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Luftpolsterfolie und Derartigem schützten. Klar, dieser Teil des Alaska Highway war ziemlich wild und holprig, aber das erschien uns doch ein wenig übertrieben - zumindest dachten wir das, bis wir unseren Campingplatz in Whitehorse am südlichsten Zipfel der Grenze zum Yukon erreichten. Unser tapferer kleiner Jeep war von innen und außen schlammverkrustet (wir hatten versehentlich die Fenster einen Spaltbreit offen gelassen). Auf der Windschutzscheibe waren mehr Sterne zu sehen als am winterlichen Nachthimmel von Alaska. Der Prevost war ebenfalls schmutzig, doch der Jeep hatte eindeutig am meisten abbekommen. Wir hatten ihn hinter dem Ungetüm unseres Busses hergeschleppt, so dass er aussah, als hätte er sich wie ein Hausschwein im Dreck gewälzt. Darüber hinaus waren zwei Nebelscheinwerfer zu Bruch gegangen.
    Allround-Freak brachte mehrere Stunden damit zu, beide
Fahrzeuge wieder sauber zu bekommen. Außerdem besorgten wir uns die Mobilnummer von Randy, dem Kerl vor Ort, der Windschutzscheiben reparieren konnte. Man riet uns, ihm eine Nachricht zu hinterlassen, weil er »tierisch beschäftigt« sei.
    Nachdem wir den Jeep auf Vordermann gebracht hatten, unternahmen wir einen Tagesausflug nach Süden nach Skagway. Skagway liegt am Taiya Inlet, einem Seitenarm des Lynn Canal (dem nördlichsten Fjord der Alaksa Inside Passage), direkt gegenüber von Haines, unserem letzten Stopp auf dem Marine Highway exakt drei Wochen zuvor. Obwohl es mittlerweile nur noch ein winziges Städtchen mit 800 Einwohnern ist, kam es uns im Vergleich zu Chicken wie eine Metropole vor. Und im 19. Jahrhundert war es das dank des Goldrauschs am Klondike auch. Später war Skagway mit nahezu zehntausend Einwohnern die größte Stadt des Territoriums. Die meisten waren ursprünglich hergekommen, weil sie selbst auf Goldfunde hofften, beim Anblick des schwierigen Berggeländes jedoch beschlossen, es lieber bleiben zu lassen und sich stattdessen auf das Dienstleistungsgewerbe zu konzentrieren (damit meine ich Saloons und Bordelle), neben Lebensmitteln und Ausrüstung für die Goldsucher, von denen jede Woche tausende neue in die Stadt strömten.
    Jeder Ort, der aufgrund des alleinigen, wenn auch flüchtigen Strebens nach großem Reichtum zu schnell wächst, schlittert irgendwann unweigerlich in die Gesetzlosigkeit. Skagway bildete da keine Ausnahme. Ein kanadischer Mountie bezeichnete damals die Zustände sogar als »kaum besser als die Hölle auf Erden«. Der prominenteste Sohn der Stadt war der Gangsterboss Jefferson Randolph »Soapy« Smith, der ursprünglich aus dem Westen
der USA stammte. Seine Geschäfte in Denver, wo er zahlreiche wichtige Leute geschmiert hatte, liefen so gut, dass er sich nicht scheute, in der Presse mit seinen betrügerischen Fähigkeiten anzugeben.
    »Für mich ist die Betrügerei ehrenhafter als das Leben eines Durchschnittspolitikers«, verkündete er. Seinen Spitznamen »Soapy« bekam er, nachdem eine Zeitung in Denver über seinen »Prize Package Soap Sell Swindle« berichtet hatte, ein billiger Trick, bei dem er arglosen Passanten ein Stück Seife mit dem Versprechen angedreht hatte, in einem davon sei ein Hundertdollarschein versteckt. Die Einzigen, die jemals Geld sahen, waren natürlich Soapys Anreißer, die Mitglieder seiner so genannten »Soap Gang«. Schon bald wurde der »König der Betrüger« zu berühmt, und selbst die größten Schutzgeldbeträge, die er den Offiziellen in der Stadt bezahlt hatte, reichten nicht, um ihn vor den Fängen des Gesetzes zu bewahren.
    Soapy, der wegen Mordversuchs gesucht wurde, flüchtete aus Colorado und ließ sich ausgerechnet in Skagway nieder. Als Kopf eines organisierten Gangsterrings stellte er seine eigene Miliz zusammen, etablierte ein Netzwerk aus Spionen und kontrollierte sogar den Deputy U.S. Marshall. Er zog so viele Goldsucher über den Tisch, wie er nur konnte - von einfachen Gaunereien (seine Telegrafenstation knöpfte den Leuten fünf Dollar für ein Telegramm nach überall hin auf der Welt ab, allerdings endeten die Leitungen wenige Kilometer außerhalb der Stadt im Gebüsch) bis hin zu raffinierten Spielbetrügereien. Seinen Tod fand er schließlich durch eine Gruppe von Männern, die sich zu einer Bürgerwehr zusammengefunden und geschworen hatten, ihn aus der Stadt zu verjagen, nachdem er sich geweigert hatte, einem Goldsucher das Geld zurückzuzahlen,
das dieser beim Monte-Spiel verloren hatte. »Mein Gott, nicht schießen!«, waren Soapys letzte Worte.
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