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Eine feine Gesellschaft

Eine feine Gesellschaft

Titel: Eine feine Gesellschaft
Autoren: Amanda Cross
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neuer Dekan raten. Werden Sie sich erkundigen und mir dann Bescheid sagen? Kommen wir so ins Geschäft?«
    »Rufen Sie mich doch in ein oder zwei Tagen an, und ich sage Ihnen dann, wie ich mich entschieden habe«, sagte O’Toole.
    »In Ordnung. Vielen Dank für Ihre Hilfe.« Reed war amüsiert und etwas erleichtert über die Rückkehr der alten Arroganz. »Ich rufe Sie morgen an«, sagte er. »Und ich wünsche Ihnen von Herzen Glück für Ihre Jahre als Dekan. Vielleicht führen Sie ja eine neue, 143

    wichtige Politik ein, bei der Mitglieder der Fakultät ein paar Jahre der Verwaltungsarbeit opfern aus Liebe zu ihrer Universität.«
    O’Toole erhob sich und begleitete Reed mit förmlicher Verbeugung aus dem Zimmer.
    144

Elf

    Da war der Kerl wieder,
    Blutrünstiger, als sie ihn in Erinnerung hatten, Gottähnlicher, als erwartet.

    Kate und Reed trafen Clemance vor dem Saal. Clemance war es gelungen, drei Plätze reservieren zu lassen, und sie wurden, vorbei an Stehplatzinhabern, die ihnen wilde Blicke zuwarfen, zu ihren Plätzen in der dritten Reihe geführt.
    »Ich habe kurz mit Auden gesprochen«, sagte Clemance. »Ich glaube, er ist hauptsächlich aus Freundlichkeit gekommen; kennt ein paar von den Studenten. Er wird seine Gedichte vorlesen, ein paar Fragen beantworten, und dann muß er weiter. Es gibt also keine Gelegenheit für einen Empfang oder ein Treffen hinterher.«
    In dem Augenblick führte der GSES-Vorsitzende, ein Student, Auden auf die Bühne. Kate konnte sich nicht erinnern, je erlebt zu haben, daß ein derart prominenter Dichter nicht von einem mindestens halb so prominenten Professor vorgestellt wurde. Aber heutzutage galt Leistung weniger als Jugend.
    »Wir haben die Ehre und das Vergnügen«, sagte der Student,
    »heute abend Wystan Hugh Auden bei uns begrüßen zu können, der aus seinen Gedichten lesen wird. Er hat sich auch bereit erklärt, danach ein paar Fragen zu beantworten, wenn sie relevant sind.«
    Auden machte einen etwas überraschten Eindruck, und Kate nahm an, daß es sich um eine sehr freie Interpretation dessen, handeln mußte, was Auden tatsächlich gesagt hatte. Aber die Ankündigung wurde mit dankbarem Gelächter aufgenommen, das, als der Student sich setzte und Auden aufstand, in donnernden Applaus überging.
    »Furchtlos besteige ich die Tribüne«, hatte er in einem wunderbar komischen Gedicht mit dem Titel ›Auf Rundreise‹ geschrieben, an das sich Kate mit Vergnügen erinnerte.
    Auden las ein paar neuere Gedichte, ein paar ältere, und dann ein ziemlich neues zu Miss Marianne Moores achtzigstem Geburtstag:
    »Wenn ich sage«, schloß er, »wie gut und recht und rechtschaffen /
    Sie all das tat, so ist das viel zuwenig.«
    »Was für ein Lob«, sagte Clemance zu Kate, während alle frene-tisch Beifall klatschten.
    Aus der folgenden Phase von Fragen und Antworten behielt Kate ein paar Sätze Audens nicht im Wortlaut, aber sinngemäß: Kein 145

    Spiel ohne Regeln. Eine sekundäre Welt muß ebenso Gesetze haben wie eine primäre. Mit »sekundärer Welt« meinte Auden ein Kunst-werk, aber Kate fragte sich, ob – im Hinblick auf die Unruhe, die gegenwärtig die Universität beherrschte – die sekundären Welten, die die Revolutionäre schaffen wollten, nicht bislang gefährlich regelfrei waren. Oder war der Jugend die Notwendigkeit von Regeln nicht klar? »Absolute Freiheit ist sinnlos«, hieß es bei Auden. Man hat die Freiheit, zu entscheiden, welche Gesetze es geben soll, aber sind sie erst einmal erlassen, müssen sie auch befolgt werden. Ein beunruhigender Gedanke, wenn er auf etwas anderes als die Kunst bezogen ist. Kate fiel ein Satz von Auden ein, den sie oft jungen Leuten hatte vorhalten wollen, obwohl Auden ihn nur auf Dichter gemünzt hatte: Wer die Beschränkung der Form von sich weist, weiß nicht, welches Vergnügen ihm entgeht.
    Auden schloß mit dem Satz, das Leben eines Dichters sei ein Ba-lanceakt zwischen Frivolität und Ernsthaftigkeit. Ohne die Frivolität sei er ein Langweiler, ohne den Ernst ein Schöngeist.
    Das muß ich mir für Emilia Airhart merken, dachte Kate. Darin besteht Audens Größe, ich werde sagen, er hält am besten die Balance.
    »Kommen Sie noch auf einen Drink mit zu mir?« wandte sich Kate an Clemance, als sie wieder draußen standen. »Ich werde bald aus der Wohnung ausziehen, in der ich sehr glücklich war, und ich finde, Ihr Besuch würde einen sehr passenden Schlußpunkt unter dieses Glück setzen.«
    »Was für eine reizende
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