Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eine feine Gesellschaft

Eine feine Gesellschaft

Titel: Eine feine Gesellschaft
Autoren: Amanda Cross
Vom Netzwerk:
brachten…«
    »Ja. Ich hatte eine Flasche Mineralwasser in der einen und ein Glas in der anderen Hand. Cudlipp hielt die Tabletten in der einen und das Vorlesungsverzeichnis des University College in der anderen Hand. Ich stellte die Flasche hin, nahm ihm die Tabletten aus der Hand und gab ihm statt dessen das Glas. Dann habe ich Wasser in das Glas gegossen und ihm die Tabletten zurückgegeben, als er das Verzeichnis zur Seite legte. Das klingt kompliziert und knifflig, wie ein Ballett oder ein raffinierter Trick, aber es war lächerlich einfach.
    Wäre es das nicht gewesen, ich hätte den Austausch der Tabletten sein lassen. Aber so gab ich ihm zwei normale Aspirin in die Hand.
    Ich wußte, daß sie eine Gefahr für ihn bedeuteten, aber ich hätte nie geglaubt, daß sie tödlich sein könnten.«
    »Gepuffertes Aspirin, wie sich herausgestellt hat«, sagte Reed.
    »Deshalb hat er nicht gleich das Aspirin geschmeckt und wieder ausgespuckt.«
    »Mein Gott«, sagte Clemance. »Daran habe ich gar nicht gedacht. Das klingt wirklich wie ein teuflischer Plan. Es war einfach das Aspirin, das ich selber immer nehme. Keine Frage«, fügte er hinzu, »ein guter Anklagevertreter könnte daraus eine Menge machen.«
    Für einen Augenblick waren alle stumm.
    »Ich sehe keine Notwendigkeit für einen Ankläger oder eine Ge-richtsverhandlung«, sagte Reed. »Hätte ich ein solches Gerichtsver-fahren für möglich gehalten, dann hätte ich dieses Gespräch nicht zugelassen. Vielleicht«, setzte er hinzu, »war ich noch nie der Gelegenheit so nah, mir eine sekundäre Welt zu schaffen.«
    »Es wird zweifellos unerträglich geschwollen und unangemessen aus meinem Mund klingen, aber ich kann nicht dem Mord noch die Sünde hinzufügen, Sie zum Mitwisser an einem Verbrechen zu ma-150

    chen.«
    »Wie könnte ich meine Hochzeit mit Nancy Drew und meinen möglichen Abschied von der Staatsanwaltschaft passender feiern?«
    meinte Reed lächelnd. »Nein«, fuhr er dann fort, »ich würde keinem von uns einen Gefallen damit tun, wenn ich etwas vertusche. Aber wir müssen ja nicht an die Öffentlichkeit gehen. Ich werde in die Akte ein Zusatzprotokoll aufnehmen, in dem ich schildere, wie Sie Cudlipp das Aspirin gegeben haben dürften; man wird es als Un-glück ansehen, und sein Tod war wirklich im Sinne des Wortes ein Unglücksfall. Sie haben von niemandem etwas zu befürchten, nur von sich selbst. Wenn ich Sie zu etwas überreden möchte, dann dazu, daß Sie den Mut finden, Ihre Arbeit fortzuführen. Sie sind so wichtig für Ihre Universität, und Ihre Vermutungen über Cudlipps Aktivitä-
    ten haben gestimmt. Ich gebe aber zu, daß es eines gewissen Ausma-
    ßes an Erpressung bedurfte, um die Wahrheit über Cudlipps Tricks mit den Fahrstühlen herauszubekommen und Studenten in Zukunft vor derartigem Unsinn zu bewahren.«
    »Mit O’Tooles Hilfe, nehme ich an.«
    »Ja. Er wird die Studenten ins Gebet nehmen. Und in seiner Arbeit als Dekan wird er Ihre Hilfe und Unterstützung brauchen.«
    »Hat er es erraten?«
    »Ja, ohne Zweifel. Ich war mir dessen sicher, als ich hörte, daß er sein negatives Votum gegen das University College widerrufen will.
    Er bewundert Sie noch immer, verstehen Sie, und hat sich ebenfalls wegen Cudlipp Sorgen gemacht.«
    »Wenn Sie im ganz altmodischen Sinne ›bezahlen‹ wollen«, sagte Kate, »dann denken Sie daran, daß die Existenz und Weiterent-wicklung des University College jetzt gesichert scheint. Vielleicht ist das ja etwas, wonach Sie sich nicht gerade gesehnt haben.«
    »Sie haben es sich gewünscht«, sagte Clemance. »Betrachten Sie es als mein Hochzeitsgeschenk. Ich hoffe, ich finde den Mut, meine Arbeit fortzusetzen. Und was den Preis angeht, den ich bezahle, so machen Sie sich keine Gedanken über seine angemessene Höhe.«
    151

    Zwölf

    Muse der Zeit, für deren gnädiges Schweigen Nur der erste Schritt zählt, und der Ist immer ein Mord; Klio, deren freundliches Wesen Nie eine Täuschung ist, verzeih unser Lärmen Und lehre uns unsere Erinnerungen.

    Mitte November wurden die Tage kürzer. Wenn die Büros schlossen und die Sekretärinnen heimgingen, war es auf dem Campus fast dunkel. Während Kate durch die Dämmerung zur U-Bahn ging, wurde sie wieder von diesem Gefühl überwältigt – wie sollte man es nennen: Zuneigung, Liebe, Hingabe? – und fragte sich aufs neue: Wem gilt dieses Gefühl von Loyalität, dieses ziemlich altmodische Gefühl? Kate war auf gewisse Weise mit der jüngeren
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher