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Eine feine Gesellschaft

Eine feine Gesellschaft

Titel: Eine feine Gesellschaft
Autoren: Amanda Cross
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am besten anfangen.«
    »Vivian?« fragte Reed mit schwacher Stimme.
    »Frogmore. Wir einigten uns auf Ihre Professor Fansler, und dann haben wir es aller Welt erzählt. Ist eigentlich ein Kompliment, kein Grund, sich aufzuregen.«
    »Ganz im Gegenteil«, sagte Reed. »Darf ich zur Bier- und Ziga-rettenversorgung einen Beitrag leisten?« fragte er und griff in die Hosentasche. Zu seiner Zeit wäre so eine Frage als gönnerhaft und beleidigend aufgefaßt worden. Er hätte froh sein können, ungescho-ren davonzukommen. Weil das Geld damals knapper war? Oder mehr galt? Peabodys Antwort fiel schlicht aus.
    »Der ist immer willkommen«, sagte er, »zumal in diesen knappen Zeiten.« Reed gab ihm das Geld und dachte, während er wieder zum Campus ging, daß Geld nur denen nichts galt, die noch nie welches verdient und trotzdem immer genug Geld hatten. Die Frage war nur, ob das eine gute oder eine schlechte Sache war.
    Also war es tatsächlich Cudlipp gewesen, der die Geschichte mit den Aufzügen inszeniert hatte – um die Universität zu spalten, nur weil das verhaßte University College dabei war, mächtiger zu werden. Nur noch ein kleiner Botengang, dachte Reed.
    Und seine Füße trugen ihn zum Büro des Dekans, das nun ganz legal von Robert O’Toole besetzt worden war.
    O’Toole bewegte sich durch das Büro des Dekans wie ein vorei-liger Geist, der den Ort heimsucht, den er bald bewohnen wird. Der geschäftsführende Dekan war nur zu froh gewesen, die Stellung räumen zu dürfen; der Eifer, mit dem er das Weite suchte, war geradezu obszön. Kate hatte recht: Leute mit Verwaltungserfahrung würden in Zukunft nicht leicht zu finden sein.
    Reed erwartete fast, abgewimmelt zu werden, und war daher freudig überrascht, daß ihn O’Toole in sein Büro bat, ihm umständlich einen Platz anbot und ihn zu einem kleinen Plauderstündchen einlud. Das Leben war wirklich voller Überraschungen. Aber das Bedürfnis vieler nach Gesprächen war deutlich gestiegen, seit die gute alte Zeit untergegangen war, und schon früher hatte sich der akademische Stand nicht gerade durch einen Hang zur Schweigsam-keit ausgezeichnet.
    »Für Ihre neuen, schweren Aufgaben haben Sie aber eine angenehme Umgebung«, bemerkte Reed. Der Raum war schön, holzgetä-
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    felt, mit hoher Decke, und strahlte jenen Reiz aus, den kein neues Haus, wie elegant es auch sein mag, je erreichen kann.
    »Trotzdem würde ich am liebsten davonlaufen«, sagte O’Toole,
    »und erst anhalten, wenn ich einen hübschen Platz im Mittleren Westen oder auf der anderen Seite des Kontinents gefunden habe.«
    »Ja, verstecken können Sie sich hier nicht«, sagte Reed.
    »Offensichtlich nicht. Haben Sie gesehen, daß die ›Times‹ dem Aufruhr an den Hochschulen eine komplette Sonderbeilage gewidmet hat, mit Index und allem? Vielleicht sind wir ja, wie Opfer der Pest, die überlebt haben, jetzt immun.«
    »Ich habe mich oft gefragt, ob das normale tägliche Leben nicht überhaupt die schwierigste Aufgabe ist: keine Aufregungen, kein Ruhm, nur schlichte harte Arbeit.«
    O’Toole nickte. »Ich nehme an, Sie möchten mit mir über Cudlipps Tod reden.«
    »Wenn es Ihnen nichts ausmacht.«
    »Es macht mir nichts aus, aber ich kann Ihnen nicht weiterhelfen.
    Die ganze Geschichte ist so schockierend, sogar an diesem Ort, wo Schocks inzwischen an der Tagesordnung sind.«
    »Sie meinen, die Situation birgt keine inhärente Logik?«
    »Ja«, sagte O’Toole, »das meine ich wohl.«
    Reed stockte. »Sie sind allgemein bekannt als – ich glaube, der Begriff ist gebraucht worden – ›Schüler‹ von Clemance. Ist er ein so hervorragender Lehrer, wie behauptet wird?«
    »Ein ganz großer, fast sui generis, wenn Sie wissen, was ich meine, obwohl man ihn mit besonderen Maßstäben messen muß.«
    O’Toole lehnte sich in seinem Stuhl zurück. »Er hat uns das Denken beigebracht, denen unter uns, die mit dem nötigen Rüstzeug zu ihm kamen – so etwas ist seltener, als man meinen möchte. Wir haben nicht immer die gleichen Schlüsse gezogen wie er, aber er war ein so guter Lehrer, daß ihm sogar das gefallen hat. Und so viel von dem, was er geschrieben hat, ist erstklassig; manches ist falsch, aber er hat es sich in keinem Punkt zu leicht gemacht. Er hat sogar Theaterstü-
    cke geschrieben, das heißt, er versteht etwas vom Akt kreativen Schreibens. Aber am wichtigsten erscheint mir, daß er nie esoterisch, gelehrtenhaft oder schwülstig ist. Was er zu sagen hat, ist jedem kultivierten
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