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Eine feine Gesellschaft

Eine feine Gesellschaft

Titel: Eine feine Gesellschaft
Autoren: Amanda Cross
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und intelligenten Menschen, der mit Sorgfalt liest, verständlich. Aber ich rede, als arbeitete ich gerade an seinem Nachruf, was Gott verhüten möge. Wenn der Lehrer später zum Kollegen wird, neigt man dazu, in ihm zwei Menschen zu sehen: den von 141

    damals und den von heute.«
    »Und was gibt es über Cudlipp zu sagen, dessen Nachruf Sie ja heute schreiben könnten?«
    »Cudlipp war ein eher normaler Akademiker: ein interessanter Wissenschaftler und guter Lehrer für alle, die mit seiner enervieren-den Art umgehen konnten. Er hatte sein Leben der Wissenschaft geweiht. Ich bewundere Loyalität und Hingabe.«
    »Was ich von Ihrer Arbeit kenne, scheint mir hervorragend«, sagte Reed. »Genauso, wie Clemance seine Arbeit versteht: gesell-schaftlich relevante Erörterungen über Literatur mit moralischem Bezug. Werden Sie für Ihre Arbeit noch Zeit haben, wenn Sie Dekan sind?«
    »Das hoffe ich, aber zweifellos macht sich jeder neue Dekan erst einmal diese Illusion. Ich nehme an, das Geheimnis besteht darin, mit vier Stunden Schlaf pro Nacht auszukommen.«
    »Erlauben Sie mir eine gezielte, womöglich verletzende Frage, Mr. O’Toole. Haben Sie vor, das University College weiter zu be-kämpfen, wie Cudlipp das getan hat? Ich weiß, daß Sie dem Präsidium und der Verwaltung gegenüber als neuer Dekan geäußert haben, Ihrer Meinung nach sollte der Verwaltungsrat über das University College noch nicht einmal abstimmen, bevor nicht alle Rätsel um Cudlipps Tod aufgeklärt sind. Aber sollte das nicht…«
    »Tatsache ist, daß ich meine Meinung geändert habe«, sagte O’Toole. »Offen gesagt, der Druck, den die Alten Herren der Universität ausüben, ist enorm, aber ich denke, wir sollten die Abstim-mung vornehmen lassen; jedenfalls sollten wir sie nicht wegen Cudlipps Tod hinausschieben. Da gibt es doch gar keine Frage, oder?
    Cudlipps Tod war ein Unglücksfall. Schließlich ist er nicht erschos-sen worden oder etwas Ähnliches. Ich gebe zu, daß ich gleich nach seinem Tod eine Politik betrieben habe, die er als Verzögerungstak-tik gebilligt hätte, aber – wir sind die Überlebenden. Die Universität muß sich auf die Haltung einigen, Cudlipps Tod als abgeschlossene Angelegenheit zu sehen. Wir müssen die Universität wieder neu aufbauen. Ich werde mich mit Castleman und Klein und dem geschäftsführenden Präsidenten in Verbindung setzen und ihnen das mitteilen.«
    Reed betrachtete O’Toole eine Zeitlang. Kate hatte ihn als arrogant bezeichnet, und Reed hatte gelernt, Kates Urteilen zu vertrauen.
    Doch der Mann, der ihm da gegenübersaß, war nicht arrogant. »Ich glaube, Ihre Meinungsänderung ist verständlich«, sagte Reed, »und 142

    bestimmt das Beste für die Universität. Abgesehen davon haben Sie natürlich durch Ihre frühere Haltung ein gewisses Maß an Nachforschungen in Gang gesetzt, und es ist leichter, solche Dinge in Gang zu bringen, als sie später wieder zu beenden.«
    »Aber es gibt doch nichts zu entdecken, oder?«
    »Was ist mit dem Problem der Aufzüge?«
    »Sie meinen, daß das Anhalten des Aufzugs verantwortlich war für Cudlipps Tod?«
    »Das und anderes. Mr. O’Toole, ich glaube zu wissen, wer hinter den Sabotageakten an den Aufzügen steckt, aber ich hätte gern die Bestätigung; Vermutungen halten vor Gericht nicht stand. Ich bin auf der Suche nach ein paar Studenten, ein, zwei, vielleicht drei. Ich frage mich, ob Sie mir nicht helfen können, sie zu finden.«
    »Bisher bin ich noch nicht einmal offiziell als Dekan eingesetzt.«
    »Ich weiß, und ich bitte auch um Nachsicht, daß ich Sie so früh, um nicht zu sagen, verfrüht in Ihrer administrativen Karriere mit Bitten belästige. Ich denke, daß uns ein oder zwei junge Männer, vielleicht von der eher radikalen Sorte, einen Streich gespielt haben…«
    »Wie kommen Sie darauf, daß es radikale Studenten sind? Weil nur Radikale Unfug treiben?«
    »Nein. Weil es Studenten sind, für die sich Hankster ganz besonders interessiert. Vielleicht habe ich die falsche Schlußfolgerung gezogen. Aber darum geht es auch gar nicht. Alles, was ich will, ist eine Aussage dieser Studenten über das, was sie getan haben, und die Zusicherung, daß das nicht wieder vorkommt. Die ganze Geschichte braucht nicht über die üblichen Disziplinarmaßnahmen der Universität hinauszugehen und, wenn Sie nicht wollen, vielleicht nicht einmal so weit.«
    »Wie kommen Sie darauf, daß ich wissen könnte, wer dahin-tersteckt?«
    »Vielleicht können Sie als
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