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Haus des Todes

Haus des Todes

Titel: Haus des Todes
Autoren: P Cleave
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Prolog
    Es war Weihnachten mitten im August. Eine verzauberte Winterlandschaft. Der Tatort war mit gelbem Absperrband dekoriert, als wäre es Lametta, und auf dem Schriftzug Durchgang verboten hatte sich im Nu Raureif gebildet, sodass die einzelnen Buchstaben nicht mehr zu unterscheiden waren. Im Schnee lag ein kleiner brauner Schuh. Er lag auf der Seite, eingefasst von einer frischen Schneeschicht. Das Mädchen hatte ihn verloren, als man es vom Wagen ins Gebäude getragen hatte. Hier draußen war es totenstill und kalt, so kalt, dass man das Gefühl hatte, der Atem würde einem direkt vor dem Gesicht gefrieren und zu Boden fallen, zwischen den Füßen sanft im Schnee landen und die eisigen Temperaturen, die einem in den Zehen zwickten, noch weiter sinken lassen. Abgesehen von den grauen Stellen, wo Stiefel und Fahrzeuge den Boden aufgewühlt hatten, war alles weiß. In der Nähe des Gebäudes spiegelten sich im Schnee das Licht der Halogenscheinwerfer und die Blaulichter der Polizeiautos. Die bunten Lichtbündel wischten über die dreckigen Fenster in unmittelbarer Nähe und verloren sich in den Tiefen der Räume dahinter.

    Über dem Ganzen lag eine weihnachtliche Atmosphäre; als wäre Santa Claus in den falschen Teil der Stadt gekommen und hätte die falschen Leute getroffen und auf grausamste Weise dafür bezahlt. Die Halogenlampen und Autoscheinwerfer, die auf das alte Gebäude gerichtet waren, tauchten die Tragödie in ein grelles Licht und verwandelten sie so in ein festliches Schauspiel. Das Gebäude stand seit fast einem halben Jahrhundert leer, abgesehen von den verwaisten Geräten, den verrosteten Metallgegenständen und den alten Werkzeugen und Möbelstücken, die abzuholen sich nicht gelohnt hatte. Und dann war da natürlich der Gestank. Es roch nach dem Tod, der paarweise durch die Tore marschiert war, paarweise wie die Tiere auf die Arche, nur dass es an diesem Ort hier keine Rettung gegeben hatte. Während der wenigen Jahre, die der Schlachthof in Betrieb gewesen war, hatte der Boden all das Blut, die Scheiße und den Urin aufgesaugt, waren der Tod und der ganze Dreck in den Beton gedrungen, in das Fundament und in die Wände, ja sogar in die Luft, als würde die Luft im Innern nicht mehr zirkulieren sondern für immer in diesen Räumen stehen.
    Officer Theodore Tate wollte gar nicht wissen, wie viel Blut hier vergossen worden war, und nicht zu viel darüber nachdenken  – er wollte einfach nur seinen Job machen, die Augen aufhalten und niemandem in die Quere kommen. Er und sein Partner, Officer Carl Schroder, waren die Ersten am Tatort, nachdem der Anruf eingegangen war. Langsam und vorsichtig hatten sie das Gebäude betreten, und im Innern hatten sie das junge
Mädchen gefunden. Es trug den anderen Schuh und eine Socke, das war alles, was es anhatte. Die anderen Kleidungsstücke lagen zerrissen auf einem Haufen neben ihm. Die beiden Officers hatten noch nicht viele Leichen gesehen – nur ein paar Selbstmörder und einige Unfallopfer, darunter einen Fahrer, der in zwei Hälften zerteilt worden war, die Beine und der Oberkörper lagen zwanzig Meter voneinander entfernt, und eine der Hände wurde nie gefunden  –, und das hier war Tates erstes Mordopfer. Das Blut war noch nicht getrocknet, aber die Augen des Opfers waren bereits trübe geworden. Es war eine Tragödie, bei der jemand nicht durch einen Unfall gestorben war, sondern an den Folgen roher Gewalt.
    Sie sicherten den Tatort und redeten nur das Nötigste, dann warteten sie auf die anderen, während sie die Hände aneinanderrieben und mit den Füßen aufstampften, um den Kreislauf in Schwung zu bringen. Der Anblick des Mädchens weckte in Tate den Wunsch, seinen Beruf als Cop an den Nagel zu hängen, und zugleich, als Detective in der Mordkommission zu arbeiten. Wie sein Priester ihm gesagt hatte: Das Leben ist voller Widersprüche und schlechter Menschen.
    Für die Detectives, die inzwischen eingetroffen waren, gab es niemanden, den sie hätten befragen können. Die einzigen Zeugen hier draußen waren die Geister derjenigen, die durch die Tore des Schlachthofs getrieben worden waren, um als Supermarktschnäppchen oder Hamburger zu enden.

    Es war kurz nach zehn. Und knapp unter null Grad. In ein paar Tagen würde Vollmond sein. Letzte Nacht hatte es angefangen zu schneien. Die Stellen, die nicht von den Halogenscheinwerfern beleuchtet wurden, waren in fahles Mondlicht getaucht. Auf der Vorderseite des Gebäudes standen in großen
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