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Eine feine Gesellschaft

Eine feine Gesellschaft

Titel: Eine feine Gesellschaft
Autoren: Amanda Cross
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berichten, meine Liebe? Wann wird geheiratet? Warum feierst du nicht hier? Wäre doch eine wunderbare Idee.«
    »Wir heiraten an Thanksgiving, und nur ein mit Reed befreundeter Richter und zwei Trauzeugen werden dabeisein.«
    Polly Spence seufzte. »Ich erinnere mich an die Hochzeitsfeste deiner Brüder«, sagte sie. »In der St. Thomas-Kirche, mit allem Drum und Dran.«
    »Das war nie mein Stil, wie du weißt. Auch damals nicht.«
    »Allerdings. Aber ich glaube, du machst es richtig. Du mußt einmal mit Reed zum Dinner kommen, dann können er und Winthrop über all diese trockenen Dinge reden, und ich kann dir von meinem wunderbaren neuen Job erzählen.«
    »Erzähl mir jetzt davon.«
    »Das traue ich mich nicht, weil es noch nicht endgültig feststeht.
    Aber ich freue mich so darauf. Stell dir vor, da fange ich in meinem fortgeschrittenen Alter noch an, Linguistik zu unterrichten – man betrachtet mich tatsächlich als Wissenschaftlerin mit Zukunft, auch wenn ich tot bin, bevor diese Zukunft Gegenwart wird. Und ich freue mich so für das University College. Wir bekommen endlich Lehrstühle für unsere Leute, eine richtige Professur. Ob das nächste Frühjahr wieder auf den Barrikaden stattfinden wird, mit unflätigen Reden, durchdiskutierten Nächten und all der hoffnungslosen Aufregung von Revolution, was meinst du?«
    »Meiner unmaßgeblichen Meinung nach nicht. An anderen Universitäten dagegen schon. Weißt du übrigens, woran ich mich noch erinnere, wenn ich an den Cosmopolitan Club denke, außer diesen Wohltätigkeitstanzereien für irgendwelche traurigen Babys? Das sind die Makronen. Gibt es hier immer noch diese phantastischen Makronen?«
    »Ganz gewiß, meine Liebe, obwohl man sich heute natürlich selbst bedienen muß. Winthrop meint, daß sie bald statt dessen einen 154

    Mischmasch verkaufen, der dann schmeckt wie die Gummierung von Briefmarken, aber ich sage immer, er soll nicht so ein überzeugter Pessimist sein. Ich finde wirklich, das Leben ist dazu einfach zu wunderbar aufregend, vor allem seit ich nicht mehr auf Enkelkinder aufpassen muß. Meine Kinder halten mir vor, daß ich Kindermädchen einstellen konnte, und ich halte dagegen, daß ich nie meiner Mutter widersprochen habe, aber wie heißt das doch? Autre temps, autre moeurs, n’est-ce-pas?«
    »Und was antworten sie darauf?« fragte Kate, den Mund voller Makronenbrösel.
    »Nicht viel, aber sie durchbohren mich mit ihren Blicken, und ich weiß, was sie denken: Schimpfworte für mich denken sie sich aus.
    Tant pis.«
    Kate empfand ein geradezu schmerzhaftes Bedürfnis, Clemance zu trösten, aber sie wußte: Auf Erden gab es keinen Trost für ihn.
    »Ich habe ein fürchterliches Bedürfnis nach Strafe«, erzählte er ihr, »nach Selbstbestrafung. Aufgeben, in Pension gehen, ruhig und jämmerlich verrückt werden in nur zu verdienter, trostloser Einsamkeit. Bei aller Psychologie heutzutage wissen wir nie, wann wir uns etwas vormachen, aber mir scheint, daß ich, weil ich Cudlipp um der jungen Männer im College willen zerstört habe, nun dableiben und mich denselben jungen Männern zur Verfügung stellen muß – zumindest denen, die wissen wollen, was ich ihnen zu sagen habe.
    Aber es vergeht keine halbe Stunde, ohne daß ich diesen Augenblick wieder durchlebe, wo ich ihm die Aspirintabletten gebe.«
    »Und wie geht es der Verkünderin?« fragte Professor Castleman, als er mit Kate in Lowell Hall auf den Aufzug wartete.
    »Wem bitte?« fragte Kate.
    »Klio, Ihrer Muse der Geschichte. Kleio heißt auf griechisch Verkünder beziehungsweise Verkünderin.«
    »Was Sie nicht sagen. Ich habe noch nie an sie als eine Verkünderin gedacht. Wahrscheinlich, weil Auden das nie erwähnt.«
    Der Aufzug fuhr an ihnen vorbei abwärts.
    »Falls Ihre Klio vorhaben sollte, irgendeine Veränderung zu verkünden«, sagte Castleman, während sie die Treppe hinuntergingen,
    »dann wünschte ich, sie finge bald damit an. Die Aufzüge halten nicht an, und der Raum, in dem ich jetzt unterrichte, ist zwar größer als früher, aber noch immer nicht groß genug.«
    »Wenn es nur noch Stehplätze gibt, ist das ein Kompliment«, sagte Kate.
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    »Da fällt mir etwas ein. Wir waren mal wieder im Theater. Dio-nysische Rituale, so wahr ich hier stehe. Nackte junge Frauen taten so, als rissen sie nackte junge Männer in Stücke. Ein Meer von Blut.«
    »Hat man versucht, Sie zum Mitmachen zu überreden?«
    »Leider nicht. Das heißt nicht, daß ich wirklich jemanden in
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