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Eine feine Gesellschaft

Eine feine Gesellschaft

Titel: Eine feine Gesellschaft
Autoren: Amanda Cross
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der die abschließende Prozedur leiten kann, ich habe einfach zu viele Verpflichtungen. Sie verstehen, wie glücklich ich bin, Sie gefunden zu haben. Kennen Sie Auden?«
    »Nein«, sagte Kate. »Und ich habe mich auch nie auf wissenschaftlicher Ebene mit seinem Werk befaßt. Ich bin für eine solche 7

    Aufgabe wirklich nicht qualifiziert.«
    »Sie werden es bestens machen. Ich kenne Auden und habe trotzdem noch nie wirklich wissenschaftliche Kategorien für sein Werk entwickeln können. Ich sage im Englischen Seminar Bescheid.
    Vielen Dank. Ich werde jetzt gehen und sehen, wohin das alles führt.
    Ich bin aus mehr als einem Grund froh, daß wir uns hier bei den Tulpen begegnet sind.« Er lächelte und ging davon. Und tatsächlich beförderte ein oder zwei Tage später die akademische Mühle eine offizielle Mitteilung auf Kates Schreibtisch, in der es hieß: »Titel der Dissertation: ›Die Dichtkunst W. H. Audens‹; Name des Doktoranden: R. E. G. Cornford; Erster Gutachter: Frau Professor Fansler.«
    Am frühen Nachmittag hatten die Studenten ein drittes Gebäude besetzt und dem Präsidenten der Universität, der, wie üblich, irgendwo anders war, eine Reihe von Ultimaten gestellt. Gerüchte wollten wissen, daß er nach Hause geflohen sei. Inzwischen hatten sich die Fakultätsangehörigen in Gruppen zusammengefunden und diskutierten, was zu tun sei. Der Vizepräsident, der jetzt die Verantwortung hatte, fing an, von Polizei zu reden. Kate rief ein Taxi und ließ sich zur American Academy of Arts and Letters fahren.
    Aber sie würde Auden nicht persönlich zu Gesicht kriegen; das war ihr sofort klar. Bei der Jahresfeier der American Academy of Arts and Letters sitzen die Mitglieder, die Preisempfänger und die, die als neue Mitglieder aufgenommen werden sollen, auf numerier-ten Plätzen. Dem Veranstaltungsprogramm lag auch eine Zeichnung bei, aus der hervorging, wer auf welchem Stuhl auf der Bühne Platz nehmen würde. Weder Auden noch Isherwood waren anwesend.
    Gegen Ende der Veranstaltung erklärte sich Mr. Wescott bereit, beide Reden zu verlesen – die Isherwoods zur Verleihung der Gol-denen Medaille und Audens Dankesrede.
    Das Publikum war enttäuscht, aber Kate, die oben auf dem Balkon saß, war merkwürdig zufrieden; interessiert hatte sie ohnehin nur, was die beiden zu sagen hatten, auf ihre Anwesenheit konnte sie verzichten. In Isherwoods kurzer Ansprache war die Rede von »der Verwandlung des siebenjährigen Jungen Auden in den einundsech-zigjährigen Dichter, den wir heute ehren«, und sie endete damit, daß Isherwood die Gelegenheit seiner Nicht-Anwesenheit dazu benutzte, ihm zu sagen, wie ungeheuer stolz er sei, sein Freund zu sein. »Mein lieber Christopher«, fing Audens Dankesrede an, und dann: »Für mich ist die Poesie zuallererst ein Spiel.« Deswegen darf er auch so tiefschürfend sein, dachte Kate, während sie der Stimme von Mr.

    8

    Wescott lauschte. Wer außer Auden hätte ein so feinsinniges Gedicht über sein Schlafzimmer schreiben können: Don Juan, viel zu ungeduldig, sich auszuziehen, braucht kein Bett, Tristan und Isolde sind viel zu verliebt, um sich um so etwas Profanes zu kümmern, doch gewöhnliche Sterbliche verlangen danach und legen, auch wenns nur zum Schlafen ist, lieber die Kleider ab.

    Es war tatsächlich ein eigentümliches Gedicht, an das Kate hatte denken müssen – besaß sie vielleicht an jenem Tag bis dahin uner-kannte prophetische Kräfte? Denn an ihrer Universität sollte sich eine ganze Woche lang niemand ausziehen und schlafen gehen. Als Mr. Cornfords Dissertation in ihrem Büro abgeliefert wurde, war Kate viel zu erschöpft, um in Audens Interesse diesen akademischen Zugriff übelzunehmen.

    9

Eins

    Wenn auch die milde und klare Luft
    Dich wieder lächeln und das Leben schätzen lassen, Wenn dein Gesicht sich wieder rötet, der Sturm hat dich verändert: Du wirst sie nie vergessen, niemals, Die Düsternis, die die Hoffnung auslöschte, der Sturm, Der deinen Untergang verkündete.

    Daß die Vorlesungen an der Universität ganz nach Plan am 17.
    September begannen, war für alle Beteiligten ein Grund zum Staunen. Für Revolutionen sprach nicht gerade viel – jedenfalls war Kate dieser Meinung –, aber durch sie gewöhnte man sich an die Alltäglichkeit außergewöhnlicher Ereignisse und an das angenehme Gefühl atemloser Überraschung, wenn das Erwartete einfach geschah. Das jedenfalls äußerte Kate gegenüber Professor Castleman, während beide in der Lowel
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