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Eine Feder aus Stein

Eine Feder aus Stein

Titel: Eine Feder aus Stein
Autoren: Cate Tiernan
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des Zirkels. Sie hatte eine wilde Igelfrisur und ihr Haar war magentarot gefärbt. In ihren Ohren glitzerten jede Menge silberne Ohrringe.
    »Hallo, Claire«, sagte Nan freundlich. Sie umarmten sich, dann stellte Nan uns vor.
    »Thais habe ich heute Nachmittag schon getroffen«, meinte Claire und schüttelte mir die Hand. »Du bist also Clio.« Sie schenkte mir ein offenes, leicht spöttisches Lächeln und ich mochte sie auf Anhieb. Sie erschien mir nicht so wichtigtuerisch wie einige andere aus der Treize.
    »Hi«, erwiderte ich. Sie hatte grüne Augen wie wir, doch der Farbton war etwas anders.
    »Euch allen ein herzliches Willkommen«, hörte ich Daedalus sagen. Ich drehte mich um und sah ihn mit ausgestreckten Armen auf der anderen Seite des Zirkels stehen. »Vielen Dank, dass ihr gekommen seid.«
    »Ihr Gastredner ist Pater Daedalus«, flüsterte Thais mir ins Ohr. »Erfrischungen werden von den Ministrantinnen serviert.«
    Ich unterdrückte ein Lachen.
    »Es ist fast Mitternacht«, fuhr Daedalus fort. »Und wir sind alle hier versammelt.«
    Ich hatte mich noch nicht umgeguckt, noch nicht nach Richard oder Luc Ausschau gehalten. Ich schüttelte mir das Haar von den Schultern, hob das Kinn und nahm einen ruhigen, gelassenen Ausdruck an. Hoffte ich zumindest. Ich wandte den Blick nicht von Daedalus ab, doch es grenzte an Folter, den Ausdruck auf den Gesichtern der anderen nicht sehen zu können.
    »Liebe Freunde und liebe zwei, die ihr unsere neuesten Mitglieder seid; vor zweihundertfünfzig Jahren haben wir unsere Reise gemeinsam begonnen«, setzte Daedalus erneut an, und so ging es die nächsten zehn Minuten weiter. Er schwadronierte über ihre unglaubliche Entdeckungsreise, was seine Ansprache wie einen Erlebnisbericht aus dem National Geographic klingen ließ.
    Ich machte es mir hinter Nan bequem und blickte mich verstohlen um. Sophie sah blass und angespannt aus, Manon ruhig und furchtlos. Ouida und Nan machten beide einen wachsamen und irgendwie unnachgiebigen Eindruck. Neben Ouida stand Marcel. Er wirkte, als sei er okay, ja fast aufgeregt. Jules zeigte keinerlei Emotion und hielt den Kopf gesenkt, um Daedalus zuzuhören. Claire wirkte nach außen hin ruhig, doch die strengen Linien um ihren Mund ließen darauf schließen, dass es in ihrem Inneren ganz anders aussah.
    Luc. Als ich ihm einmal, nur ein einziges Mal, einen Blick zuwarf, sah er mich an. Mich, nicht Thais. Er sah aus, als wäre er jetzt gerne überall anders, nur nicht hier. Auf der anderen Seite des Zirkels, gegenüber von Luc, stand Richard. Der Ausdruck auf seinem Gesicht war hart, seine Zähne zusammengebissen. Er sah sich um, betrachtete die Anwesenden, und ich glaubte zu sehen, wie er und Petra einen Blick wechselten. Dann sahen wir uns an. Ich spürte einen Schwall von Gefühlen, die von ihm ausgingen und die er im nächsten Moment blockierte. Verwirrt wandte ich den Blick ab. Während eines Zirkels konnte es schon mal passieren, dass man Gefühle von Personen, zu denen man eine Verbindung hatte, spürte, doch wir beide hatten ja einfach nur so dagestanden.
    »Fassen wir uns an den Händen«, unterbrach Daedalus meine Gedanken, »und versammeln wir uns um unser festliches Feuer.«
    Einer nach dem anderen schritten wir in den großen Kreis hinein, den er um den verkohlten Kreis aus Erde gezeichnet hatte. Ein kleines Feuer loderte in der Mitte. Vier nicht sehr große, verbeulte Holzpokale, Träger der vier Elemente, standen darum herum. Neben dem Feuer lag eine weiße Marmorplatte, auf der sich eine Art Steinmesser mit einem handgeschnitzten Griff befand. Daedalus schloss den Kreis um uns. In diesem Moment strich mir eine unerwartet kühle Brise durchs Haar und über die Haut. Während Daedalus seine Ansprache gehalten hatte, waren Wolken über uns heraufgezogen. Jeder Stern schien verloschen. Der Himmel hatte sich tief violett gefärbt, und in der Ferne sah ich, wie ein Blitz die Wolken erhellte.
    Neben mir berührte Thais meine Hand. Sie hatte gerade die Veränderung am Himmel bemerkt. Sie versuchte, ihre Angst zu verdrängen, aber ich konnte sie dennoch spüren. Im Moment war ich für alles offen, empfing Eindrücke von allem und jedem um mich herum.
    Ouida kam auf uns zu, stellte sich ganz bewusst zwischen mich und Nan und griff nach meiner Hand. Da waren wir also: Nan, Ouida, ich, Thais, Claire, Richard, Sophie, Jules, Manon, Luc, Daedalus, Axelle und schließlich, auf der anderen Seite von Nan, Marcel. Die Treize. Irgendjemanden unter
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