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Eine Feder aus Stein

Eine Feder aus Stein

Titel: Eine Feder aus Stein
Autoren: Cate Tiernan
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neben Ouidas Mietwagen und würgte den Motor ab. Sie drehte sich in ihrem Sitz um und blickte in die ernsten, genau gleichen Gesichter ihrer beiden Nachfahrinnen, ihrer adoptierten Enkelinnen, der Menschen, die sie mehr schätzte als alle anderen.
    »Von hier aus müssen wir ein Stück zu Fuß gehen«, sagte sie. Ihre Stimme klang in der Stille der Nacht auf einmal laut. »Alles okay bei euch?«
    Thais nickte und Clio murmelte: »Ja.«
    Zu dritt liefen sie den engen Pfad entlang, der sie in den schwärzesten Teil des Sumpfgebiets führte. Die Luft wurde kühl und feucht, durchsetzt von Schwärmen schwirrender Moskitos.
    Stumm liefen die Mädchen hinter Petra her und gaben sich alle Mühe, auf dem unebenen Grund nicht zu stolpern. Obwohl Petra ihnen versprochen hatte, sie würden in Sicherheit sein, war ihre Stimmung auffällig gedämpft. Fast so, als wüssten sie, was Petra wusste. Jemand musste sterben, wenn der Ritus heute Nacht funktionieren sollte.
    Und Petra wusste, wer dieser Jemand sein würde.

Kapitel 36
    Clio
    Nach einer angespannten, stummen Autofahrt stellte Petra das Auto endlich ab und bat uns, ihr in den dichten Wald zu folgen. Gemeinsam mit ihr und Thais lief ich zu der Stelle, an der wir den Rest der Treize treffen würden. Ich erstarrte beinahe, als mir klar wurde, dass wir am Ring aus Asche angelangt waren, dem Ort, den Thais und ich schon einige Male in unseren Träumen und Visionen gesehen hatten.
    Jetzt hier zu stehen, war schaurig und gleichzeitig wundervoll. Ich stand so unter Spannung, ich konnte praktisch fühlen, wie die Energie der Erde durch meine Fußsohlen in mich hineinströmte.
    Ich wünsche, ich hätte mehr Zeit gehabt, um an meinen Zaubern zu arbeiten. Ich war nicht weit genug mit meiner Hermann-Parfitte-Lektüre fortgeschritten, um zu verstehen, wie man Unsterblichkeit erlangen konnte. Ich hatte nur den einen Zauber mit den Katzen angewandt, den, bei dem ich ihnen ihre Kraft weggenommen hatte. Doch heute Nacht würde uns nichts geschehen. Denn zumindest würde ich Daedalus davon abhalten können, meine Macht für sich zu nutzen, sollte er das vorhaben. Nan würde uns vor allem Leid beschützen. Und ich uns vor Missbrauch.
    Während ich mich für unseren nächtlichen Ausflug fertig gemacht hatte, war mir die hässliche Szene mit Richard wie eine Endlosfilmspule durch den Kopf gegangen. Dabei war mir wieder aufgefallen, wie wenig ich in letzter Zeit ich selbst war – stattdessen war ich irgendwie schwächer, weniger unverfroren, weniger mutig. Und Thais genau das Gegenteil – sie war stärker, selbstbewusster als sonst.
    Ich blinzelte, als mir plötzlich etwas einfiel. Der Zauber, den wir ausgeführt hatten, um unsere Kräfte zu vereinen – was, wenn er viel weiter gegangen war, als wir beabsichtigt hatten? Stirnrunzelnd dachte ich an die Einschränkungen, die ich vorgenommen hatte. Hatte ich irgendetwas vergessen? Verschmolzen Thais und ich miteinander oder wurden wir gar zur jeweils anderen?
    Ich wollte nicht Thais sein. Clio zu sein, war schon schwer genug.
    Vielleicht war es der Zauber. Vielleicht war es aber auch einfach nur die Tatsache, dass ich langsam zu einem riesigen weinerlichen Waschlappen mutierte. Und das würde noch heute Nacht ein Ende haben.
    Ich hatte besonders viel Wert auf mein Aussehen gelegt, ganz wie in alten Zeiten. Mein glänzendes Haar war in der Mitte gescheitelt, sodass es mein Gesicht dunkel umrahmte. Mein Make-up war subtil, verfehlte seine Wirkung jedoch nicht und machte die blasse, durchnässte und verheulte Erscheinung, als die ich heute nach Hause gekommen war, vergessen. Ich trug große Kupferarmreife, um die Blutergüsse an meinen Handgelenken zu kaschieren. Für ein magisches Ritual wie das heute Nacht durfte kein Schmuck getragen werden, in dem sich verschiedene Metallsorten mischten.
    Und dann trug ich noch die Robe, die ich mir eigentlich für meinen Aufstiegsritus aufgehoben hatte. Der Anlass heute Nacht schien bedeutend genug. Die Robe war aus schwerer grüner Seide, ein paar Farbtöne dunkler als meine Augen. Die Ärmel lagen an den Ellbogen an und waren nach unten ausgestellt wie eine Glocke. Das Gewand war enger geschnitten als die meisten anderen, und um die Taille liefen Stickereien, die aussahen wie ein Gürtel, und auch der Saum war bestickt. Wir würden barfuß sein, doch um die Knöchel trug ich große Fußketten aus Kupfer.
    Ich sah großartig aus, genau wie die alte Clio.
    »Petra.«
    Eine junge Frau stand neben Jules am Rande
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