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Eine Familie für Julianne

Eine Familie für Julianne

Titel: Eine Familie für Julianne
Autoren: KAREN TEMPLETON
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viele Sachen haben?“
    „Warte erst mal, bis sie sechzehn ist“, erwiderte Julianne, ebenfalls mit einem Lächeln, das so unecht war wie seins.
    „Ach verdammt, Julie“, flüsterte er, und da endlich stürzte sie sich in seine Arme.
    Sie liebten sich stundenlang. Kevin hatte nicht damit gerechnet, dass er Julie noch einmal so nah sein würde, nachdem sie ihm den ganzen Tag aus dem Weg gegangen war. Entsprechend aggressiv waren ihre Liebesspiele am Anfang – unausgesprochener Ärger und verletzte Gefühle brachen sich dort Bahn, wo Worte versagten. Dann jedoch, beim letzten Mal, siegte die Zärtlichkeit, und es fiel Kevin schwer, sich von Julianne zu lösen, die danach eng an ihn geschmiegt dalag.
    „Ich muss noch meine Sachen packen“, flüsterte er und küsste sie auf die Schulter.
    „Dass Männer so was immer auf den letzten Drücker machen“, erwiderte sie, lächelte aber dabei.
    Nach dem nächsten Kuss, der beinahe schon wieder zu mehr geführt hätte, stand er hastig auf und schlüpfte in seine Jeans. Julianne sah ihm vom Bett aus zu, wie er die Kommode ausräumte.
    „Es tut mir leid“, sagte sie leise.
    „Was denn?“
    „Du weißt schon.“
    „Ja, und ich wusste auch, dass du noch nicht so weit bist. Also rede dir jetzt bloß keine Schuldgefühle ein, okay?“
    „Es ist ja nur, dass Dad …“
    „Verdammt, Julianne“, seufzte er und drehte sich zu ihr um. „Sei wenigstens ehrlich genug, dich nicht ständig hinter deinem Vater zu verstecken. Ich verstehe, dass du das Gefühl hast, ihm etwas schuldig zu sein, weil er sich um dich gekümmert hat, aber …“
    „Es ist mehr als das.“
    „Ich weiß. Darum geht es ja. Ich habe kein Problem damit, dass ihr euch nahesteht. Ich habe überhaupt kein Problem mit deinem Vater. Ihr habt beide viel durchgemacht. Aber es ist so, als ob … ich weiß auch nicht. Als ob ihr beide glaubt, wenn ihr in dieser kleinen Welt bleibt, die ihr euch zusammen aufgebaut habt, kann nichts Schlimmes mehr passieren.“
    Sie wurde rot. „Das klingt ja, als ob wir nie das Haus verlassen!“
    „Ein Gefängnis muss keine vier Wände haben. Und glaub mir, ich weiß, wovon ich rede. Die schlimmsten Gefängnisse sind die, die wir uns selber bauen.“ Er schluckte. „Wir wissen beide, dass es nichts mit deinem Vater zu tun hat, dass du nicht mitkommst.“
    „Aber wenn ich doch noch nicht so weit bin …“
    „Entschuldige, aber du verhältst dich nicht wie eine Frau, die noch nicht so weit ist. Nur wie eine, die Angst hat, sich das selbst einzugestehen.“
    Er sah noch, wie Tränen in ihren Augen glänzten, bevor sie wortlos aufstand, sich ins Laken wickelte und das Zimmer verließ.
    Ganz prima, Dickkopf, dachte Kevin. Fein, jetzt war er losgeworden, was ihm auf der Seele brannte – und jemand musste es Julianne ja sagen. Aber vielleicht hätte er etwas feinfühliger sein können? Die letzte Nacht mit ihr hatte er sich wirklich anders vorgestellt.
    Auf Zehenspitzen ging er in Pippas Zimmer und betrachtete sein kleines Mädchen, das selig schlummerte. Er dachte daran, wie vertrauensvoll Pippa immer zu Julianne aufschaute, wie glücklich Julianne immer dann aussah, wenn sie das Baby auf dem Arm hatte. Es war wohl nicht übertrieben zu sagen, dass Pippa ihrer Tante das Leben gerettet hatte.
    Und das war ihm schon klar gewesen, bevor er wusste, dass Julianne keine Kinder mehr bekommen konnte.
    Obwohl es völlig unvernünftig war, nahm Kevin Pippa aus der Wiege und setzte sich mit ihr in den Schaukelstuhl. Die Kleine öffnete ein Auge, lächelte ihn zufrieden an, und schlief wieder ein. Für Kevin dagegen war in dieser Nacht an Schlaf nicht zu denken.
    Auch Julianne schlief in dieser Nacht kaum. Erst gegen Morgen fand sie etwas Ruhe, schreckte aber hoch, als sie hörte, wie Kevin und ihr Vater das Haus verließen. Als der Wagen aus der Einfahrt fuhr, schluchzte sie auf, und Gus eilte zu ihr und leckte ihr das Gesicht.
    Wie oft kann einem das Herz brechen, bevor man gar nichts mehr fühlt?, dachte sie verzweifelt.
    Als sie keine Tränen mehr hatte, quälte Julianne sich aus dem Bett und tappte barfuß in die Küche hinunter. Es war gerade noch genug Kaffee da, um ihren Becher zu füllen. Dabei bemerkte sie Kevins Tasse. Er hatte sich den Bassetthund im Frack ausgesucht, und als ihr klar wurde, dass er nicht mehr da war und die Tasse nicht mitgenommen hatte, musste sie schon wieder weinen.
    Sie ließ sich auf einen Küchenstuhl sinken, starrte aus dem Fenster und versuchte, sich
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