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Eine Familie für Julianne

Eine Familie für Julianne

Titel: Eine Familie für Julianne
Autoren: KAREN TEMPLETON
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nicht zu viel verlangt, wenn sie die bewundernde, dankbare Tochter gab.
    „Da er mit leeren Händen kommt, sind wir wohl nicht in Gefahr“, erwiderte sie und ging zur Tür. Schließlich musste sie es ausnutzen, wenn sie schon mal halbwegs wach war. „Außerdem hat er schon zehn Minuten im Auto gesessen und das Haus beobachtet.“
    Ihr Vater versperrte ihr mit seinem Gehstock den Weg. „Bleib hier.“
    Also ging Julianne hinter ihm her, als er zur Tür eilte, so schnell sein eingeklemmter Nerv es zuließ. Hinter seinem Rücken würde sie allerdings nicht viel zu sehen bekommen – Victor Booth war groß, breitschultrig und für sein Alter ein stattlicher Mann.
    Sie blieb neben Gus stehen, dem graubraunen, uralten Labrador, der zur Familie gehörte. Er lag in einem Sonnenstrahl, der durch das Fenster in der Haustür fiel, und ließ sich den Pelz wärmen.
    So würde ich den Tag auch gern verbringen, dachte sie. Dann fiel ihr ein, dass sie genau das tat – abgesehen von …
    „Tut mir leid, Sie zu stören, Mr. Booth“, sagte der Fremde mit starkem Ostküsten-Akzent. „Mein Name ist Kevin Vaccaro, ich bin ein … äh, Freund von Robyn. Ist sie zufällig hier?“
    Julianne hielt den Atem an. Er war also doch kein Fremder.
    „Nein“, stieß ihr Vater hervor – mit einer Mischung aus Trauer, Ärger und Bedauern. Genau die Gefühle, die sie selbst auch schon viel zu lange quälten. „Robyn ist vor drei Monaten gestorben.“
    Julianne stellte sich auf die Zehenspitzen und erhaschte einen Blick auf den Fremden. Er war jetzt auffallend blass geworden, wirkte ansonsten aber sehr attraktiv. Das überraschte sie nicht – Robyn hatte ihre Lover immer rein nach dem Aussehen ausgewählt. Jede dieser „Beziehungen“ war schräger gewesen als die vorherige. Und normalerweise hatte immer Robyn Schluss gemacht.
    „Das tut mir so leid“, stotterte Kevin. Seine braunen Augen spiegelten Schock und ehrliches Entsetzen wider. „Ich hatte keine Ahnung … ich sollte besser gehen …“
    „Nein“, sagte Julianne, schob ihren Vater zur Seite und traf innerhalb von Sekunden eine Entscheidung, die wahrscheinlich ihrer aller Welt ins Wanken bringen würde. „Nein, kommen Sie rein.“
    „Julie!“
    „Lieber Himmel, Dad, er steht unter Schock. Wir können ihn nicht einfach wegschicken!“
    Verwirrt schaute Kevin sie an. Er schien sie erst jetzt zu bemerken, und sie dachte daran, wie sie wohl auf Außenstehende wirken musste – abgemagert, mit Ringen unter den Augen, an ihrem Äußeren uninteressiert.
    „Sie kennen mich“, sagte Kevin.
    „Und ob ich Sie kenne“, fiel ihr Vater anklagend ein. „Und Sie sind hier nicht willkommen.“
    „Dad. Es war doch nicht seine Schuld.“
    Dessen war sich Julianne absolut sicher, obwohl ihr Vater die Wahrheit einfach nicht akzeptieren wollte. Robyn war schon drogenabhängig gewesen, bevor sie Kevin kennengelernt hatte. Als er sie sitzen ließ, hatte ihr das nicht besonders gefallen, ihr Problem aber auch nicht verschlimmert.
    „Kann ich Ihnen was zu Trinken anbieten?“, fragte sie, als sie Kevin an ihrem Vater vorbei ins Wohnzimmer führte. „Kaffee? Wasser?“
    „Ein Bier?“, fügte ihr Vater gereizt hinzu.
    Kevins karamellbraune Augen verrieten einen Anflug von Ärger. Julianne wusste, dass er nur ein paar Jahre jünger war als sie selbst, aber im Moment kamen ihr diese Jahre vor wie Jahrhunderte. Er trug ein Polohemd, das ihm eine Nummer zu groß war, und Hosen, die etwas zu tief hingen – offenbar war er jung genug, um sich um solche Dinge noch keine Gedanken zu machen. Trotzdem hoffte sie, dass er reifer war, als er aussah.
    „Ich war alkohol- und drogenabhängig und bin jetzt clean“, sagte er leise, als er sich bückte, um Gus hinter den Ohren zu kraulen. Dann wandte er sich Julianne zu. „Und danke, nein.“
    Damit setzte er sich auf die Kante der opulenten Ledercouch. Die Hände zwischen den Knien, starrte er vor sich hin, offenbar noch immer geschockt. Schließlich schaute er zu Juliannes Vater auf. „Was ist passiert?“
    Victor warf Julianne einen entnervten Blick zu, als er sah, dass das Babyphon keinen halben Meter von Kevin entfernt auf dem Couchtisch lag. Wahrscheinlich würde Kevin nicht so weit denken, aber trotzdem …
    „Ich schulde Ihnen keine Erklärung“, stieß ihr Vater hervor.
    „Ich bin gekommen, weil ich Antworten suche“, erwiderte Kevin mit überraschend fester Stimme. Offenbar war er nicht so leicht einzuschüchtern. „Oder besser gesagt …
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