Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eine Familie für Julianne

Eine Familie für Julianne

Titel: Eine Familie für Julianne
Autoren: KAREN TEMPLETON
Vom Netzwerk:
in seiner Armbeuge ruhte. Als die Kleine ein wenig zu quengeln begann, schaukelte er sie leicht hin und her, und sie beruhigte sich sofort.
    „Dann sehen Sie Ihre Familie wohl oft?“
    Da war sie wieder, diese unerklärliche Sehnsucht, die er auch in Robyns Stimme manchmal gehört hatte, wenn sie für ein paar Augenblicke ihre rebellische Kaltschnäuzigkeit vergaß.
    „Öfter, als manchem von uns lieb ist“, erwiderte Kevin lächelnd. „Meine drei ältesten Brüder wohnen mit ihren Familien nur ein paar Straßen vom Haus meiner Eltern entfernt.“
    „Und wo ist das?“
    „In Springfield, Massachusetts.“
    „Ah, daher der Akzent.“
    „Was für ein Akzent?“, fragte er erstaunt, und um ihre Mundwinkel zuckte es.
    „Und Ihre anderen Geschwister?“
    Offenbar versuchte Julianne, das Gespräch in andere Bahnen zu lenken, und Kevin war ihr dankbar dafür.
    „Meine Schwester Mia heiratet in ein paar Wochen einen Investmentbanker in Connecticut – an dem langen Wochenende um den vierten Juli. Und mein Bruder Rudy hat mit seiner Frau gerade einen Gasthof in New Hampshire eröffnet.“
    Und dann gibt’s da noch mich, fügte er im Stillen hinzu. Den Versager, der bis jetzt noch gar nichts zustande gebracht hat.
    „Sind sie alle glücklich?“, fragte Julianne.
    „Ja, ich denke schon. Wenn man keine Postkartenidylle erwartet. Wir schreien uns an, wir streiten uns, wir machen Fehler. Einige kleine, andere größere.“ Er zuckte die Schultern. „Manche von uns, wie ich zum Beispiel, haben unseren Eltern mehr Sorgen gemacht als die anderen. Und mein Dad war auch noch Polizist. Es muss ihn fast umgebracht haben, uns dabei zuzusehen, wie wir unsere eigenen Erfahrungen machen. Aber wir sind immer füreinander da, und mehr kann man ja eigentlich nicht verlangen, oder?“
    Einen Moment lang sah sie ihn ausdruckslos an, bevor sie zum Wickeltisch ging und dort einen Wäschekorb voller Strampelanzüge und winziger Unterwäsche ausleerte.
    „Und was ist mit Ihnen?“, fragte er. Pippa hatte den Kopf an seine Schulter gelegt und war wieder eingeschlafen. Als Julianne ihn stirnrunzelnd ansah, fügte er hinzu: „Mit Ihrer Geschichte?“
    „Meiner … Geschichte?“
    „Ja. Sie leben schon seit … mindestens einem Jahr hier? Aber Sie tragen einen Ehering. Wohnt Ihr Mann auch hier im Haus?“
    Sie zog einen Strampelanzug aus dem Haufen und faltete ihn mit schnellen Bewegungen zusammen. „Robyn hat wohl nie von mir erzählt?“
    „Nein, nicht viel.“
    „Ich bin Witwe“, sagte sie leise, ohne von der Wäsche aufzuschauen.
    Peinlich berührt zuckte Kevin zusammen. „Oh, verdammt. Das tut mir leid.“
    Julianne hob die Achseln und faltete weiter.
    „War er krank? Oder möchten Sie nicht darüber reden …“
    „Mein Mann ist bei einem Autounfall gestorben, den ein betrunkener Fahrer verursacht hat“, sagte sie seltsam emotionslos.
    Kevin schloss die Augen und schluckte. „Das tut mir leid“, wiederholte er lahm.
    „Ja, mir auch.“ Jetzt klang ihre Stimme bitter. „Gil und ich waren ausgegangen, um meine Schwangerschaft zu feiern. Es regnete in Strömen, was für Seattle im Herbst nicht ungewöhnlich ist. Wir haben den Wagen, der uns auf unserer Spur entgegenkam, nicht einmal gesehen, weil er kein Licht anhatte.“
    Jetzt endlich hob sie den Kopf, und er sah die unverarbeitete Trauer in ihrem Blick. „Ich weiß also ganz genau, wie es ist, wenn das Leben mit einem Schlag völlig auf den Kopf gestellt wird.“
    Kevin unterdrückte einen Fluch. „Ich kann nicht fassen, dass Robyn mir nichts davon erzählt hat.“
    „Offenbar war Ihre Beziehung ja so eng nun auch wieder nicht“, bemerkte sie und widmete sich wieder der Wäsche. „Und sie und ich standen uns auch nicht sehr nahe. Sie ließ eigentlich niemanden an sich heran.“
    „Da haben Sie allerdings recht“, murmelte Kevin, und er konnte die Frustration und Enttäuschung in ihrer Stimme gut verstehen. „Aber Sie sind nicht gleich danach hergekommen, oder?“
    „Wenn es nach Dad gegangen wäre, schon. Er wollte, dass ich direkt aus dem Krankenhaus hier einziehe. Der Monat dort war die Hölle“, bemerkte sie trocken. „Aber ich war fest entschlossen, mein Leben irgendwie zusammenzuflicken und weiterzumachen. Es hat nicht funktioniert, aber ich war zu stur, um es zuzugeben. Dann fand Dad heraus, dass Robyn schwanger war, und es wurde ziemlich schnell klar, dass er alleine damit nicht zurechtkam. Also dachte ich, okay, eine Ablenkung. Etwas, das mich auf
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher