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Eine Eule kommt selten allein

Titel: Eine Eule kommt selten allein
Autoren: Charlotte MacLeod
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Umweltsünder seine Stärke. Er konnte genauso gut im Wald bleiben und Eulen aufspüren.
    »Hier lang, Dr. Svenson.«
    Winifred Binks schoß zwischen den Bäumen in eine Richtung davon, die falsch schien, es aber ganz gewiß nicht war. Der Präsident folgte ihr ohne Widerrede, denn er wußte sehr wohl, daß sie sich in diesem Wald nicht einmal verirren konnte, wenn sie es darauf angelegt hätte. Professor Stott hatte sich nicht vom Fleck gerührt, seit er mitansehen mußte, wie Emmerick zwischen den Ästen der Eiche verschwunden war. Nach reiflicher Überlegung brach er schließlich sein Schweigen.
    »Peter, ich glaube, wir können inzwischen mit Sicherheit sagen, daß die geheimnisvolle Schnee-Eule nichts weiter war als ein Lockvogel, der unsere oder vielleicht auch nur Emmericks Aufmerksamkeit auf sich ziehen sollte. Auch wenn dieses Abenteuer ein weitaus traurigeres Ende gefunden hat, als ich erwartet habe, muß ich gestehen, daß ich nie ernsthaft damit gerechnet habe, diese besondere Eulenart in unseren Breiten zu sichten. Bei den gewöhnlichen Beutetieren der Nyctea scandiaca kommt es in zyklischen Abständen zu einem Populationsschwund, in der Regel etwa alle fünf bis sieben Jahre. Soweit ich mich erinnere, sind erst etwa drei-einhalb Jahre ins Land gezogen, seit ein gewisser Mr. Wendell White aus Durham im Bundesstaat Maine eine Schnee-Eule dabei beobachtet hat, wie sie auf einer Verbindungsstraße zwischen der Route 9 und der Route 136 einen Raben angegriffen hat. Mr. White stieg aus seinem Pickup und rettete den Raben vor der Eule, und zwar mit der Begründung, daß Raben hiesige Vögel seien und er dagegen sei, wenn Auswärtige ungefragt in fremde Jagdgründe einfielen und versuchten, die Macht an sich zu reißen. Ein schlagendes Argument, würde ich sagen.«
    »Viele Bürger von Balaclava County teilen sicher diese Meinung«, sagte Peter. »Ich vermute sogar, daß unsere vermeintliche Eule nichts weiter war als ein Bündel weißer Federn an einer Angelrute. Vielleicht ist irgendein Spaßvogel neben uns hergelaufen und hat sie immer wieder kurz in die Luft gehalten, um uns auf diese Weise zum Netz zu locken.«
    »Ihr Verstand ist flinker als meiner, alter Freund, auf die Angel wäre ich nie gekommen. Der Läufer selbst muß übrigens auch außerordentlich flink gewesen sein, wenn er in der Lage war, ein so unebenes Terrain zu durchqueren, ohne von uns entdeckt zu werden. Immerhin verfügen Sie über ein ausgezeichnetes Gehör, Peter, und auch Ihr Wahrnehmungsvermögen ist ausgesprochen scharf. Das unserer geschätzten Kollegin Winifred Binks ist sogar noch schärfer, da werden Sie mir sicher zustimmen.«
    »Auf jeden Fall, Dan, und damit haben Sie gerade einen interessanten Punkt angesprochen. Ich vermute, daß der Köder an einem Drahtseil befestigt gewesen war, wie man es für Oberleitungen benutzt, und gerade schnell genug gezogen wurde, um knapp vor unserer Gruppe zu schweben. Oder der Läufer hielt eine gewisse Distanz zu uns, warf den Köder ab und zu wie eine Forellenfliege aus und zog ihn dann wieder zurück.«
    »Das wäre hier im Wald recht schwierig gewesen«, widersprach Dan Stott. »Hätte in diesem Fall nicht das Risiko bestanden, daß sich die Schnur an einem Ast verfängt oder der Köder im Gebüsch hängenbleibt?«
    »Vielleicht waren an verschiedenen Stellen Leute postiert, die jeweils ihre eigene Angel auswarfen? Verflixt noch mal! Die Leute mit den Suchscheinwerfern lassen sich ganz schön Zeit.«
    Peter wußte, daß er viel zu ungeduldig war. Der Präsident und Miss Binks hatten nicht einmal genug Zeit gehabt, den Wald zu verlassen, geschweige denn, ein Telefon zu finden, um die Polizei zu benachrichtigen. Er und Stott würden sicher noch mindestens eine Stunde allein hier verbringen müssen, wahrscheinlich sogar noch länger. Am besten, sie vertrieben sich die Zeit mit etwas Nützlichem.

    »Dan«, sagte er, »würden Sie bitte die Taschenlampe für mich halten? Ich möchte mir Emmerick einmal genauer ansehen.«
    »Selbstverständlich«, pflichtete ihm sein Freund bei. »Der arme Kerl, was für ein beklagenswertes Schicksal, einen so frühen Tod zu finden, und dann noch durch einen mißglückten Halloween-Streich.«
    »Meinen Sie wirklich?« Peter kniete sich neben das groteske, netzverschnürte Bündel und versuchte, einen genaueren Blick darauf zu werfen, ohne die Leiche zu berühren.
    »Leuchten Sie bitte mal hierhin. Hmja, genau so, jetzt kann ich besser sehen. Das wäre wirklich
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