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Eine Eule kommt selten allein

Titel: Eine Eule kommt selten allein
Autoren: Charlotte MacLeod
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gedrängt hatte, obwohl er offensichtlich eine Eule nicht von einem Ufo unterscheiden konnte? Wäre Miss Winifred Binks nicht das geeignetere Objekt einer - dann wohl gräßlich fehlgeschlagenen - Entführung? Da Professor Binks bei ihrem raschen und großen Einsatz für das College noch gar nicht dazu gekommen ist, ihr bzw. ihres Großvaters Geld zu zählen, war der von der Presse hervorgerufene Eindruck, sie habe ihr Vermögen dem College gestiftet, vielleicht falsch, und bei ihr privat ist doch noch einiges zu holen.
    Für diese Annahme sprechen jedenfalls die sich auf der einsamen Außenstation geradezu überstürzenden Ereignisse. Es stellt sich nicht nur heraus, daß der - wenn auch ermordete, so dennoch gräßliche - Emmerick eine falsche Identität hatte, sondern die tätlichen Angriffe häufen sich, bei denen die Sekretärin Viola Buddley regelmäßig an Bäume gefesselt wird. Vielleicht trägt ihr T-Shirt die Schuld daran, auf dem in großen Lettern über ihrem üppigen Busen prangt: »Haben Sie heute schon einen Baum umarmt?«
    Als Detektiv hat Peter Shandy die Methode, in jeder gegebenen Situation alle Optionen blitzschnell lückenlos durchzuspielen, so absurd sie auch sein mögen. >Jeder ist verdächtig< ist die generelle Devise im Detektivroman, und erst als Professor Winifred Binks tatsächlich entführt ist, verengt sich der Verdacht, und es bleibt nur noch die Frage, ob es sich um eine allgemeine oder eine gezielte Erpressung handelt.
    Der - nicht zuletzt durch ihr jahrelanges Überlebenstraining in den Wäldern - reaktionsschnellen und blitzgescheiten Winifred gelingt es, in ihr in Gegenwart der Kidnapper gegebenes telefonisches Lebenszeichen eine Botschaft für Professor Shandy und seinen Präsidenten einzuschmuggeln - eine literarische, versteht sich, eine Anspielung auf populäre amerikanische Kinderbuchgestalten, die, von beiden richtig dekodiert, zu ihrer Befreiung führt.
    Daß die extrem aktionistisch gerät, versteht sich von selbst. Schließlich lesen wir einen Roman von Charlotte MacLeod, und die im Text selbst als Eideshelfer herbeizitierten Vorbilder sind die Thriller-Autoren Childers, Buchan und Sax Rohmer sowie der Charlie-Chan-Erfinder Earl Derr Biggers. So läßt sie mittels Dammbruch einen erfundenen Nebenfluß des oberen Connecticut River zum reißenden Strom werden, auf dem nur noch der Wikinger-Walfänger-Killerwal-Sproß Svenson sich zu behaupten vermag, indem er nach stürmischer Nachtfahrt sein Boot praktisch dort festmacht, wo das Geheimnis verborgen ist - in der Nähe einer der Firmen, deren Aktien sich neben vielen anderen in Winifred Binks' Portefeuille befinden.
    Das geplante Wirtschaftsverbrechen oder, angenehmer ausgedrückt, die >kreative Transaktion^ die von Anfang an geplant war und die vom Aktionismus nur verdeckt wurde, läßt sogar Winifred Binks' Anwalt und ihren Vermögensverwalter verdächtig erscheinen, wie übrigens auch ihre Partner bei der Firma »Golden Apples« durch ihr Verhalten auf Winifred wie Peter höchst verdächtig wirken. Doch diesen Verdacht mag der Leser des amerikanischen Originals nicht zu teilen, hat Charlotte MacLeod
    dem Gegner der »Golden Apples« doch den sprechenden Namen »Lackovites« ge-geben. Man kann es sowohl als >Mangel an Vitaminen< als gleichzeitig auch als >Mangel an Vitalstoffen< übersetzen - und beide Firmen konkurrieren miteinander auf dem Gebiet der biodynamischen, holistischen Vollwertnahrung. Indem Charlotte MacLeod das Skurrile mit dem Aktuellen, das Aktionistische des Thrillers mit der Wirklichkeit der Feindlichen Übernahmen aus dem täglichen Wirtschaftsteil verbindet, setzt sie ihre ebenso spannende wie zwerchfellerschütternde Saga aus dem heutigen Balaclava Junction, Massachusetts, USA überzeugend fort.
    Volker Neuhaus
     
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